„Demokratische Presse muss über Kriegsverbrechen berichten!“

Aktivist:innen der Kampagne Women Defend Rojava und Defend Kurdistan haben in mehreren Städten Medieneinrichtungen besucht, um auf die türkischen Angriffe auf Nordsyrien und Nordirak aufmerksam zu machen.

Aktivist:innen der Kampagne Women Defend Rojava und Defend Kurdistan haben am Mittwoch mehrere Aktionen bei deutschen Medieneinrichtungen durchgeführt. Mit den Aktionen machten die Aktivist:innen auf die fehlende Berichterstattung über den Krieg der Türkei in Nordsyrien und im Nordirak aufmerksam. „Seit dem 5. Oktober fliegt die Türkei heftige Luftangriffe, bei der Zivilist:innen verletzt und getötet werden und lebensnotwendige Infrastruktur zerstört wird. Dies gilt im internationalen Völkerrecht als Kriegsverbrechen. Die internationale Gemeinschaft muss diese Angriffe des NATO-Mitglieds Türkei als Kriegsverbrechen verurteilen. Die deutschen Medien müssen darüber berichten!“, erklären die Aktivist:innen zu den Aktionen.

Lokalpresse sollte berichten, was Menschen wirklich bewegt

In Hannover sind die Aktivist:innen zur Neuen Presse und Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gegangen, um die Verantwortlichen direkt zur Rede zu stellen. Dazu erklärten sie: „In ganz Deutschland wie auch in Hannover leben Menschen, die die Angriffe der Türkei auf die Menschen in Rojava stark erschüttert. Menschen aus Syrien, Kurdistan und der Türkei haben hier auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung ein neues Zuhause gefunden. Für sie ist es wichtig, dass die Presse hierzulande über ihre Heimat berichtet und sich eine kritische Öffentlichkeit bildet. Darüber hinaus ist Rojava eines der inspirirerensten basisdemokratischen Projekte und die kurdische Freiheitsbewegung eine zentrale demokratische Kraft im Nahen Osten. Sie formuliert wichtige Vorschläge für das friedliche Zusammenleben der Menschen in der Region und der ganzen Welt. Die Journalist:innen der Neuen Presse und der HAZ täten gut daran, sich mit diesen Ideen zu beschäftigen und diese zu diskutieren. Auch für soziale Probleme und politische Herausforderungen in Deutschland können so hoffnungsvolle Zukunftsperspektiven gewonnen werden. Nur wenn die Presse sich den Belangen der Menschen annimmt, gewissenhaft informiert und zu einem lebendigen demokratischen Austausch beiträgt, kann sie ihre gesellschaftliche Pflicht erfüllen. Die deutsche Presse darf sich nicht zum Komplizen des deutschen Staates und deutscher Waffenunternehmen machen, die die Türkei in ihrem Krieg unterstützen und Profit daraus schlagen. Besonders in Zeiten, in denen sich weltweit gewaltsame Konflikte intensivieren, braucht es eine engagierte Berichterstattung, die zu Bombenangriffen und Krieg nicht schweigt, sondern die Perspektiven auf Frieden aufzeigt.“

Mit dem Megafon zum MDR in Erfurt

In diesem Sinne war auch eine große Gruppe von Aktivist:innen von Women Defend Rojava und Defend Kurdistan in Thüringen aktiv und konfrontierte im MDR-Landesfunkenhaus in Erfurt Mitarbeiter:innen mit ihren Forderungen. Sie hängten Banner im Gebäude auf, um auf die Situation in Nord- und Ostsyrien aufmerksam zu machen. Außerdem besuchten sie Büros und verteilten Flyer an die Mitarbeitenden. Lautstark wurde über ein Megafon ein Statement mit Forderungen im Foyer des Gebäudes verlesen. Dabei bezogen sich die Aktivist:innen auf den Mitarbeiterkodex des Mitteldeutschen Rundfunks, in welchem sich einer von wirtschaftlichen und politischen Interessen unabhängigen Berichterstattung verpflichtet wird. Wegen der ausbleibenden Berichterstattung stellten sie die Frage: „Welche Ziele verfolgt der MDR, nicht über diesen Krieg zu informieren?“ Als Selbstanspruch werde außerdem die Stärkung demokratischer Gesellschaften deutlich. In den angegriffenen Gebieten bestehe eine schützenswerte junge Demokratie, die nicht erst seit diesem Oktober, sondern seit Jahren attackiert werde. Die Aktivist:innen forderten den MDR auf, diesem Selbstverständnis nachzukommen und die breite Öffentlichkeit über den Angriffskrieg des türkischen Regimes gegen Nord- und Ostsyrien zu informieren. Weiter appellierten sie, dafür nicht das Narrativ des türkischen Regimes zu übernehmen, sondern eine differenzierte Berichterstattung zu garantieren.

„Der Sicherheitsdienst versuchte von Anfang an, unsere Aktion zu unterbinden, was ihm nicht gelang. Nach dem erfolgreichen Verlesen der Forderungen verließen wir friedlich und gesammelt das Gebäude“, erklärten die Aktivist:innen. Parallel versammelten sich vor dem MDR-Landesfunkenhaus weitere Mitstreiter:innen und machten ebenfalls mit Flyern und Bannern auf die Lage in Nordsyrien und dem Nordirak aufmerksam. Alle Teilnehmenden der Versammlung bekamen eine Anzeige mit dem Vorwurf des Hausfriedensbruchs. Es kam zu Gesprächen mit Passant:innen, was als sehr positiv bewertet wurde. Die Versammlung blieb auch noch lange über die Polizeimaßnahme hinaus bestehen.

Mahnwache für Frieden in Kassel

In Kassel fand am gleichen Tag eine Mahnwache auf dem Königsplatz statt. Aktivist:innen der Kampagne Women Defend Rojava haben sich mit anderen Initiativen und Gruppen vernetzt und dazu aufgerufen, auf die Angriffe aufmerksam zu machen, der Opfer zu gedenken und Spenden zu sammeln. An einem Infotisch konnte sich außerdem über die kurdische Freiheitsbewegung und die aktuelle Lage in Nord- und Ostsyrien informiert werden. „Wir wissen, dass auch in Zukunft diese und weitere Aktionen nötig seien werden. Der türkische Präsident Erdogan hat in einer Regierungserklärung am 10. Oktober 2023 von einer ‚erfolgreichen ersten Phase‘ gesprochen, deshalb müssen wir mit weiteren massiven Angriffe rechnen. Wir werden der mörderischen, kolonialen Politik des türkischen Staates nicht schweigend zuschauen, sondern noch lauter und entschlossener für den Frieden in Kurdistan kämpfen“, erklärten die Aktivist:innen zu ihrer Aktion.