Türkei nach den Kommunalwahlen
Der Sieg der CHP bei der Kommunalwahl am 31. März in der Türkei hat den Nimbus der Unbesiegbarkeit der AKP erschüttert und die politischen Machtverhältnisse in Frage gestellt. Fast 60 Prozent des Landes werden auf kommunaler Ebene entweder von der größten Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) oder von der DEM-Partei (Partei für Gleichheit und Demokratie der Völker) regiert. Die CHP ist unter ihrem neuen Vorsitzenden Özgür Özel erstmalig nach fünfzig Jahren wieder als stärkste Partei aus einer Wahl hervorgegangen. Der CHP-Vorsitzende tritt für ein demokratisches und säkulares System ein und hat sich Anfang Mai sowohl mit Staatspräsident Tayyip Erdogan als auch mit den DEM-Vorsitzenden Tülay Hatimoğulları und Tuncer Bakırhan getroffen.
Bakırhan sagte am Dienstag auf der Fraktionssitzung der DEM-Partei in Ankara, dass intensive Gespräche zwischen den politischen Parteien stattfinden und weitergeführt werden: „Wir werden diese Treffen nicht nur mit den politischen Parteien im Parlament fortsetzen, sondern auch mit der außerparlamentarischen Opposition, mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Glaubensgemeinschaften. Das Ziel dieser Treffen ist es, eine gemeinsame Basis zu finden. Weil die gesellschaftliche Opposition bisher keine gemeinsame Basis gefunden hat, erleben wir in diesen Tagen Täuschungen, Betrug, Gesetzlosigkeit und Ungerechtigkeit. Eine gemeinsame Grundlage herzustellen, ist eine der Kernaufgaben der DEM-Partei.“
Das sei auch die Botschaft der Bevölkerung bei der Kommunalwahl gewesen, so Bakırhan weiter: „Unsere Völker wollen nicht mehr, dass politische Parteien Zentren der Polemik sind, sie wollen Lösungen. Am 31. März haben sie uns diese Botschaft klar vermittelt. Und wir kämpfen darum, ein Zentrum für Lösungen zu werden.“
Fünf zentrale Themen
Bei den Gesprächen mit anderen Parteien und der gesellschaftlichen Opposition verfolge die DEM einen Ansatz, der im wesentlichen fünf Punkte beinhalte, erklärte Tuncer Bakırhan und führte dazu aus: „Wir sagen unseren Gesprächspartnern: Lasst uns die Botschaft des Volkes vom 31. März richtig lesen, lasst uns gemeinsam für Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand in diesem Land sorgen.“ Die angesprochenen fünf Punkte seien folgende:
„Eine demokratische Lösung der kurdischen Frage liegt sowohl im Interesse der Türkei als auch des Nahen Ostens. Lasst uns gemeinsam eine Verhandlungslösung realisieren. Ohne Fortschritte bei der Lösung der kurdischen Frage wird es weder ein ,Jahrhundert der Türkei' noch eine neue Verfassung geben.
Lasst uns das Recht auf demokratische Politik sichern. Schützen wir die Türkei vor militärischen und bürokratischen Putschen gegen die Politik. Sorgen wir dafür, dass Putsche in der Türkei der Vergangenheit angehören.
Lasst uns mit gesundem Menschenverstand gegen die Wirtschaftskrise vorgehen. Schützen wir die Rechte der Werktätigen, der Armen und der Gesellschaft insgesamt. Lasst uns die Gesellschaft vor der Krise schützen.
Bauen wir ein egalitäres und freies soziales Leben auf, indem wir den Angriffen auf die von Frauen erkämpften Rechte ein Ende setzen.
Um den sozialen Frieden zu sichern, müssen wir die Rechte und Gesetze aller schützen und uns dem Sonderrecht für Kurden, für Arbeiter, für Revolutionäre und für Oppositionelle widersetzen. Schaffen wir eine neue Verfassung, die auf lokaler Demokratie und Gewaltenteilung beruht.“