Politischer Schauprozess in der Türkei
Die DEM-Vorsitzenden Tülay Hatimoğulları und Tuncer Bakırhan haben die Freilassung der im Kobanê-Verfahren inhaftierten Politiker:innen gefordert. Im Vorfeld der heutigen Verhandlung im Vollzugskomplex Sincan gab die DEM-Partei eine Erklärung zu dem politischen Schauprozess ab. Die Erklärung wurde vom Gewerkschaftsverband KESK und dem Menschenrechtsverein IHD unterstützt, auch eine Beobachtungsdelegation der CHP nahm daran teil.
Tuncer Bakırhan erklärte, das Kobanê-Verfahren sei das jüngste Beispiel für politisch motivierte Prozesse in der Geschichte der Türkei: „Es gibt keine Straftat und keine Beweise, das gesamte Verfahren hat keinen Inhalt. Wir erwarten, dass unsere seit Jahren grundlos inhaftierten Freundinnen und Freunde heute freigelassen werden. Wir fordern einen Freispruch und weisen das Gericht auf seine Verantwortung hin. In diesem Land gibt es keine Rechte und Freiheiten, die Justiz wird politisch beeinflusst. Diese Wahrnehmung kann das Gericht brechen, wenn es eine Entscheidung von historischer Tragweite trifft. Ich hoffe, dass sowohl das Gericht als auch die Regierung die Willenserklärung der Völker der Türkei bei den Kommunalwahlen am 31. März erkennen. Die Menschen wollen endlich Freiheit und Demokratie.“
Tülay Hatimoğulları sagte, dass der Widerstand gegen den IS in Kobanê weltweit solidarisch unterstützt wurde: „Es war nicht nur die HDP, alle demokratischen Kräfte aus der Türkei haben diesen Widerstand unterstützt und den IS verflucht. Der IS ist auch heute noch eine große Gefahr für die Menschheit. Wegen eines Tweets eine 37-fache erschwerte lebenslängliche Haftstrafe zu fordern, bedeutet der ohnehin gestorbenen Justiz ein Grab zu schaufeln und sie unter einem Haufen Steine zu beerdigen. Wir sagen, dass dieser Fehler rückgängig gemacht werden kann. Heute findet eine Haftprüfung statt und wir fordern die Freilassung unserer Genossinnen und Genossen.“
Politischer Schauprozess
Die für heute erwartete Urteilsverkündung im Kobanê-Prozess ist verschoben worden. Angeklagt in dem Mammutverfahren sind insgesamt 108 Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und kurdischer Befreiungsbewegung, darunter der gesamte ehemalige Vorstand der DEM-Vorgängerpartei HDP. Ihnen wird Mord in Dutzenden Fällen sowie „Aufwiegelung zum Aufstand“ und „Spaltung der Einheit und Integrität des Landes“ im Zusammenhang mit Protesten zwischen dem 6. und 8. Oktober 2014 gegen den Angriff der islamistischen Terrororganisation IS auf Kobanê vorgeworfen. Die Anklage stützt sich auf eine von der HDP am 6. Oktober 2014 gepostete Twitter-Nachricht. Darin wurde zu demokratischen Protesten in Solidarität mit der Bevölkerung von Kobanê in Nordsyrien aufgerufen. Die Generalstaatsanwaltschaft fordert erschwerte lebenslange Haftstrafen ohne Aussicht auf Entlassung.
Seit über sieben Jahren in Untersuchungshaft
Viele der Angeklagten sind seit November 2016 im Gefängnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stuft ihre Verhaftung als politisch motiviert ein und hat mehrmals ihre Freilassung angeordnet. Das Ministerkomitee des Europarates hat zuletzt im März die Freilassung der ehemaligen HDP-Abgeordneten gefordert. Die Türkei ignoriert diese Entscheidungen.
Bei den inhaftierten Angeklagten handelt es sich um die ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sowie um Gültan Kışanak, Sebahat Tuncel, Alp Altınörs, Ayka Akat Ata, Ali Ürküt, Ayşe Yağcı, Bülent Barmaksız, Dilek Yağcı, Günay Kubilay, İsmail Şengül, Meryem Adıbelli, Nazmi Gür, Pervin Oduncu, Zeynep Karaman, Aynur Aşan und Zeynep Ölbeci.