Die Housing Assembly ist eine soziale Bewegung, die mehr als zwanzig verschiedene Gemeinschaften aus dem Westkap in Südafrika vertritt. Sie wurde 2009 in Kapstadt gegründet, um die soziale Ungleichheit beim Wohnen zu bekämpfen, nachdem sich die Lebensbedingungen vor allem für die schwarze Bevölkerung der Stadt immer weiter verschlechterten. Neben dem Ausbleiben grundlegender Versorgung wie Wasser oder Elektrizität, waren es besonders die Räumungen und Zwangsumsiedlungen seitens der Regierung, die die Bevölkerung veranlassten, sich zu organisieren. Anstatt Wohnraum dort zu schaffen, wo Familien seit Generationen leben, versucht die Regierung sie in andere Gebiete umzusiedeln und zerstört so natürlich gewachsene Gemeinschaften, oft gewaltsam.
Schnell wurde klar, dass der Staat kein wirkliches Interesse an der Verbesserung der Lebensverhältnisse hat, sondern im Gegenteil der Ursprung vieler Probleme ist, die das Leben und Zusammenleben der Gesellschaft betreffen. Deshalb kämpft die Housing Assembly, die mittlerweile in sieben Bezirken von Kapstadt organisiert ist, heute nicht nur für bessere Wohnverhältnisse, sondern kümmert sich um alle Lebensbereiche, um nach und nach eine gesellschaftliche Alternative zur staatlichen Versorgung zu erschaffen. Langfristig wird so eine Politisierung der Gesellschaft nicht nur gegen die südafrikanische Regierung, sondern gegen das kapitalistische System an sich angestrebt.
Parallelen zur Revolution in Rojava
Dieser Kampf erinnerte die kurdische Delegation stark an die Revolution in Rojava, wo sich die Gesellschaft bereits seit zehn Jahren selbst verwaltet und auf allen Ebenen des täglichen Lebens, unabhängig von der syrischen Zentralregierung, organisiert. Die Ähnlichkeit der Kämpfe bot viel Anlass für angeregte Diskussionen und Austausch mit den südafrikanischen Aktiven, deren Sitzung auch strukturell starke Ähnlichkeiten mit der kommunalen Organisierung in Rojava aufwies.
Nachdem die etwa 40 Delegierten der verschiedenen Bezirke begrüßt wurden, gab es umfassende Diskussionen darüber, was Organisierung überhaupt bedeutet und inwiefern die Housing Assembly diesem Anspruch in der Vergangenheit gerecht geworden ist. Besonders das kollektive Denken und Handeln, Offenheit und Reflektion, sowie Initiative und das Verständnis von Führung wurde lebhaft diskutiert. Es wurde bekräftigt, dass die Housing Assembly eine Alternative zu den politischen Parteien darstellt und deshalb jegliche Ähnlichkeit mit diesen abweisen muss.
Danach berichteten alle Bezirke über ihre jeweilige Lage, erzählten von Problemen und den Methoden wie diese angegangen wurden. Im Fokus stand dabei der Umgang mit Bandenkriminalität, Jugendarbeit und Gewalt gegen Frauen.
Jede vierte Frau Opfer von Vergewaltigung
Besonders die Gewalt gegen Frauen wurde als ein Kernpunkt der Arbeiten herausgestellt. In Südafrika wird jede vierte Frau in ihrem Leben Opfer von Vergewaltigung – ein Höchstwert für ein Land, das keinen aktiven Krieg erlebt. Innerhalb der Sitzung wurde nicht nur über akute Hilfe, wie etwa durch Selbsthilfe-Gruppen oder der Einrichtung von Frauenhäusern diskutiert, sondern das patriarchale Staatssystem als Quelle von Gewalt an Frauen ausgemacht. Um dagegen anzugehen, sollen Seminare gegeben werden, um gerade die Jugend für dieses Thema zu sensibilisieren, damit sich die gleichen Verhaltensmuster nicht auf die nächsten Generationen übertragen.
Besonders der Arbeit mit Jugendlichen wurde viel Bedeutung zugestanden und es wurde deutlich, dass die organisierten Jugendlichen selbst die Initiative hierfür übernehmen wollen.
Darüber hinaus wurden Methoden besprochen, die darauf abzielen neue Mitglieder für die Organisation zu gewinnen und die Lebensverhältnisse der Gesellschaft zu verbessern. Es wurde von Selbstversorgung durch den Anbau von Gemüse berichtet, um der starken Armut gegenzusteuern und die Bedeutung von Tür-zu-Tür-Besuchen hervorgehoben, damit die Sichtbarkeit der Organisation in den Bezirken gesteigert werden kann. Es wurde betont, dass die für Mitglieder der Housing Assembly das Private immer auch mit dem Politischen verbunden ist und sie damit als Ansprechpartner für ihre Umgebung eine wichtige Rolle einnehmen müssen. Zum Ende der Sitzung wurde der Leitspruch festgehalten: „Wenn der Staat versagt, ist es an der Zeit, dass die Gesellschaft die Führung übernimmt.“
Kurdische Tänze zum Abschluss
Nach Abschluss der Sitzung haben sich die Aktivist:innen zusammen mit der kurdischen Delegation nicht nur weiter über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Kämpfe ausgetauscht, sondern auch zusammen kurdische und südafrikanische Tänze getanzt. In ausgelassener Stimmung bekundeten die südafrikanischen Aktivist:innen ihre Solidarität mit den „kämpfenden Freund:innen in Kurdistan“ und es wurde beschlossen, in Zukunft den Kontakt zwischen den beiden Kämpfen zu vertiefen.