Antikurdischer Rassismus: Ein kontroverses Thema?

Ein städtisches Bürgerhaus in Mannheim hat kurzfristig die Nutzung der Räumlichkeiten für einen Vortrag von Civan Akbulut zum Thema „Antikurdischer Rassismus und türkischer Ultranationalismus" abgesagt. Die iL ist schockiert.

Bürgerhaus Neckarstadt kündigt Veranstaltungsraum

Die interventionistische Linke (iL) Rhein-Neckar hat für den 24. September Civan Akbulut für einen Vortrag zum Thema „Antikurdischer Rassismus und türkischer Ultranationalismus" nach Mannheim eingeladen. Civan Akbulut ist Mitbegründer der Informationsstelle Antikurdischer Rassismus und recherchiert seit langer Zeit zu türkischem Nationalismus in Deutschland. Wie die iL mitteilt, musste der Ort der Veranstaltung aufgrund einer überraschenden Absage des städtischen Bürgerhauses Neckarstadt kurzfristig geändert werden:

„Bereits vor mehreren Monaten haben wir mit den Verantwortlichen des Bürgerhaus Neckarstadt vereinbart, die geplante Veranstaltung in ihren Räumlichkeiten durchzuführen und den Termin reserviert. Wie wir es von anderen Veranstaltungsräumen gewohnt waren, vertrauten wir auf deren Wort. Auf unsere Nachfrage nach den genauen Modalitäten der Veranstaltung hin wurde uns nun - weniger als zwei Wochen vor dem geplanten Termin - mitgeteilt, dass die verantwortlichen Personen uns eine Durchführung des Vortrags im Bürgerhaus entgegen der getroffenen Vereinbarung untersagen. Aufgrund des fehlenden schriftlichen Vertrages können wir dagegen leider nicht weiter vorgehen. Begründet wurde dies damit, dass es sich beim Inhalt des Vortrags um ein ,kontroverses Thema' handele. Das Bürgerhaus Neckarstadt wirbt im Internet damit, es mache ,Begegnungen möglich'. Leider können wir das nicht bestätigen und bedauern sehr, dass ein städtischer Raum wie dieser wohl kein offener für die Anliegen aller ist.“

iL: „Schockiert von der Absage und ihrer Begründung“

Die iL äußerte sich schockiert von dieser Absage und ihrer Begründung und erklärte dazu: „Rassismus gegen Kurd:innen wird hier dargestellt als Konflikt zwischen zwei Gruppen. Doch das ist grundfalsch: Der Rassismus, den Kurd:innen nicht zuletzt durch türkische Nationalist:innen erleben, ist eine Form von Diskriminierung und Unterdrückung. Und sie hat ganz konkrete, gewaltvolle Folgen: Immer wieder kommt es in Deutschland zu Angriffen auf kurdische Menschen, zuletzt massiv nach dem kurdischen Newroz-Fest im März diesen Jahres, als türkische Faschisten zuerst im belgischen Limburg und dann europaweit zu Angriffen auf Kurd:innen aufriefen. Antikurdischen Rassismus als bloßen Konflikt zwischen zwei als nichtdeutsch markierten Gruppen darzustellen verkennt damit die Lebensrealität kurdischer Menschen ebenso wie die Gefahr, die von türkischen Faschisten für sie ebenso wie für Alevit:innen, Ezid:innen oder Armenier:innen ausgeht.“

Kriminalisierung statt kritischer Diskussion

„Nachdem der türkische Fußballspieler Merih Demiral ein Tor mit dem den faschistischen grauen Wölfen zuzuordnenden Wolfsgruß bejubelte, brandete in Deutschland eine tagelange Debatte über den Einfluss türkischer Ultranationalisten auf. Wenn es nun aber darum geht, das Thema aus linker Perspektive kritisch zu diskutieren, wird es aufgrund vermeintlicher ,Kontroverse' abgewehrt. Das fügt sich wunderbar in die Räson des deutschen Staates, der - nicht zuletzt zur Begrenzung von Migration - seine jahrhundertealte Brüderschaft mit der vormals osmanischen und heute türkischen Reaktion pflegt. Kurd:innen hingegen, die sich dem als Teil der kurdischen Freiheitsbewegung entgegensetzen, werden auch hierzulande unter der rassistischen Konstruktion eines angeblichen ,Ausländerextremismus' kriminalisiert“, kritisiert die iL.

Hat der türkische Geheimdienst seine Finger im Spiel?

In Mannheim ist bereits im vergangenen Jahr eine Lesung mit Alexander Glasner-Hummel aus dem Buch „Geflohen, Verboten, Ausgeschlossen. Wie die kurdische Diaspora in Deutschland mundtot gemacht wird“ auf Druck des türkischen Generalkonsulats abgesagt worden. Auch diese Veranstaltung sollte im Bürgerhaus Neckarstadt stattfinden. Man könne nur mutmaßen, inwieweit der türkische Geheimdienst nun erneut seine Finger im Spiel habe, meint die iL: „Klar ist uns hingegen: Antikurdischer Rassismus ist kein kontroverses Thema, sondern eine Form der Unterdrückung, die wir mit aller Entschlossenheit bekämpfen müssen! Schluss mit der Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung! Schulter an Schulter gegen Faschismus!“

Neuer Veranstaltungsort

Die iL hat kurzfristig einen neuen Veranstaltungsraum finden können. Der Vortrag von Civan Akbulut wird in den Räumlichkeiten des JUZ Friedrich Dürr in der Mannheimer Neckarstadt gehalten werden. Das JUZ ist in der Käthe-Kollwitz-Straße 2 in 68169 Mannheim, die Veranstaltung am 24. September 2014 beginnt um 19 Uhr.

Foto © Shnoyi Mendan, Kurdisches Kulturfestival in Brüssel, August 2024