Kurdische Realitäten in Deutschland
Die Informationsstelle Antikurdischer Rassismus (IAKR) hat der Bundesregierung mangelndes Wissen über die Diskriminierung von Kurdinnen und Kurden in Deutschland vorgeworfen. „Mit Bedauern“ habe man zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung antikurdischem Rassismus nicht die nötige Aufmerksamkeit widme, erklärte die Organisation am Donnerstag in einer Mitteilung. Dies sei deutlich geworden durch eine parlamentarische Anfrage der Gruppe „Die Linke“ im Bundestag, die offenlegt, dass die Bundesregierung keine spezifischen Daten zu antikurdischem Rassismus erfasst. „Angesichts der brutalen Angriffe auf Kurd:innen in den vergangenen Monaten ist es erschreckend zu sehen, dass die Regierung ihrer Verantwortung gegenüber der kurdischen Gesellschaft in Deutschland nicht gerecht wird und kurdische Lebensrealitäten unberücksichtigt bleiben“, kritisiert die IAKR.
Antikurdische Vorfälle unter „sonstige ethnische Zugehörigkeit“
In ihren Antworten auf die Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut weist die Bundesregierung zwar darauf hin, dass „Elemente antikurdischen Rassismus“ in der rechtsextremen türkischen „Ülkücü“-Bewegung (sogenannte „Graue Wölfe“) etwa eine Rolle spielen. Zahlen über Angriffe auf kurdische Vereine, Veranstaltungen, Versammlungsstätten und Kundgebungen in Deutschland weist Berlin dennoch nicht gesondert aus. Diese würden unter der Kategorie „Hasskriminalität“ im Themenfeld „sonstige ethnische Zugehörigkeit“ subsumiert. Dadurch sind keine Differenzierungen mehr möglich und es können keine gesonderten Zahlen zu Angriffen auf kurdische Institutionen und Versammlungen festgehalten werden, betonte die IAKR.
Keine Fallzahlen zu Übergriffen gegen kurdische Menschen
Zur allgemeinen Gefährdungslage für Kurd:innen in Deutschland äußert sich die Bundesregierung nur vage. Nach Einschätzung des Bundeskriminalamts habe es „keine kontinuierliche Zunahme von Angriffen auf kurdische Vereine, Veranstaltungen, Versammlungsstätten und Kundgebungen/Demonstrationen ab 2009“ gegeben. Auf welchen Kenntnissen diese Einschätzung beruht, geht aus der Antwort allerdings nicht hervor. Immerhin wird eingeräumt, dass politische Ereignisse dazu führen könnten, dass derartige Angriffe „anlassbezogen“ auftreten können. Aber Kenntnisse zu antikurdischem Rassismus in Schulen, Ausbildungsstätten und Hochschulen will die Bundesregierung ebenso wenig haben wie Fallzahlen zu Übergriffen gegen kurdische Menschen. Eine Studie, etwa zur Verbreitung von antikurdischem Rassismus, um eine Vorstellung über die Dunkelziffer rassistisch motivierter Straftaten an Kurd:innen zu bilden, oder die Förderung einer Meldestelle, die explizit antikurdischen Rassismus dokumentiert, plant die Bundesregierung zumindest in Zukunft aber auch nicht.
Bundesregierung muss sich Thema ernsthaft widmen
„Die Bundesregierung scheint die Gefahr, die von türkischen Ultranationalisten für Kurd:innen ausgeht, zwar wahrzunehmen und weist auf verschiedene Initiativen zur Rassismus-Prävention und Betroffenenunterstützung hin. Dennoch wird deutlich, dass ein Mangel an Wissen über die Fallzahlen zu antikurdischem Rassismus, die Dynamik von antikurdischem Rassismus und die Täter besteht“, hielt die IAKR fest. „Antikurdischer Rassismus wird von mehr Menschen reproduziert als von einer spezifischen Tätergruppe, und nicht alle Schutzräume für von Rassismus Betroffene sind zwangsläufig auch Schutzräume für kurdische Menschen. Daher ist es wichtig, gesonderte Daten zu Fällen von antikurdischem Rassismus zu erheben, um ihr wirksam entgegenzutreten. Ohne ausreichende Kenntnisse über die Fallzahlen, die Betroffenen und die Gewaltformen bleibt es unmöglich, Lösungen für dieses Problem zu finden. Antikurdischer Rassismus ist eine Realität, deshalb haben wir uns gegründet und wollen alle Betroffenen von antikurdischem Rassismus ermutigen, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Wir rufen die Bundesregierung dazu auf, sich dem Thema ernsthaft zu widmen und ihrer Pflicht zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung auch in diesem Rahmen gerecht zu werden.“