Die Informationsstelle Antikurdischer Rassismus (IAKR) hat bestürzt auf die Lynchangriffe türkischer Rechtsextremer gegen Kurdinnen und Kurden in der belgischen Provinz Limburg reagiert, die sich zuvor an einer Newroz-Feier in Löwen beteiligt hatten. Dass Menschen aufgrund kurdischer Symbole „brutal attackiert“ werden, unterstreiche einmal mehr die Notwendigkeit, sich entschieden gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung zu stellen und gemeinsam für eine Gesellschaft einzutreten, in der Vielfalt und Solidarität geschätzt und respektiert werden, sagte IAKR-Vorsitzender Civan Akbulut am Montag in einer Mitteilung. Denn der Vorfall mache deutlich, „dass antikurdischer Rassismus eine Realität ist und tatsächlich das Leben von Kurd:innen gefährdet – mitten in Europa“.
Hunderte türkische Rechtsextreme hatten am Sonntag in den Limburger Gemeinden Houthalen-Helchteren und Heusden-Zolder eine rassistische Jagd auf Kurd:innen gemacht und dabei mindestens sechs Personen teilweise schwer verletzt. Junge Menschen wurden bewusstlos geprügelt, Autos demoliert, aus Fahrzeugen und von ihren Eigentümern entwendete Kurdistan-Fahnen sowie Schals in den Farben grün, rot und gelb angezündet. Auch wurde das Haus einer kurdischen Familie, in dem Dutzende Menschen, darunter auch mehrere Kinder, Schutz vor dem Mob suchten, attackiert und belagert. Die Polizei bekam die Situation nur zögerlich in den Griff, trotz Hubschrauber, Wasserwerfer und zahlreichen Einsatzkräften. Mehrere Videos, die von den Angreifern selbst ins Netz gestellt wurden, zeigen die Gewaltorgie. Zu sehen und zu hören sind dabei neben regungslos auf dem Boden liegende Kurden, auf die weiter eingetreten wird, und eingeschlagenen Scheiben auch „Wolfsgrüße“ der ultranationalistischen Bewegung „Graue Wölfe“, Türkei-Fahnen, Takbir-Rufe und rassistische sowie sexistische Beleidigungen.
„Die türkische Graue Wölfe-/Ülkücü-Bewegung vertritt eine antidemokratische, antisemitische und rassistische Ideologie. Sie befürwortet ein großtürkisches Reich (Turanismus) und sieht Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele, oft gegen Kurd:innen und andere Minderheiten gerichtet. Bekannt für unzählige tödliche Angriffe gegen Oppositionelle, gilt sie auch international als besonders gewaltbereit und mobilisierungsstark. In Deutschland ist sie die größte rechtsextreme Bewegung“, schreibt die IAKR auf ihrer Seite – und kritisiert: Seit der Annahme des Antrags „Nationalismus und Rassismus die Stirn bieten – Einfluss der Ülkücü-Bewegung zurückdrängen“ durch die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen Ende 2020, sind mehr als drei Jahre vergangen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, dem wachsenden Einfluss der Graue Wölfe entgegenzutreten, bleiben substanzielle Fortschritte in dieser Angelegenheit aus.
Dabei müsse die politische Reaktion auf diese Herausforderung über symbolische Gesten und Absichtserklärungen hinausgehen. Es sei höchste Zeit für konkrete Maßnahmen und effektive Strategien, die den Schutz von Minderheiten und die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus in den Vordergrund stellen. Die fortwährende Präsenz und Aktivität rechtsextremer Gruppierungen wie der Graue Wölfe fordere ein entschiedenes Handeln der Politik. „Es ist an der Zeit, dass die Politik wirkungsvoll gegen jene vorgeht, die Hass und Gewalt verbreiten. Nur durch entschlossenes Handeln können wir eine inklusive Gesellschaft fördern, in der jede:r ohne Angst vor Verfolgung oder Gewalt leben kann. Der Angriff in Heusden-Zolder muss uns eine Mahnung sein.“
Aufrufe zu Protesten
Verschiedene Organisationen haben derweil zu Protesten gegen die Lynchattacken in Limburg aufgerufen. Der Dachverband kurdischer Vereine in Europa (KCDK-E) kündigte für 12 Uhr eine zentrale Kundgebung vor dem Europäischen Parlament in Brüssel an. Die Demokratische kurdische Gemeinde in der Schweiz (CDK-S) veranstaltet in mehreren Städten verschiedene Proteste. Erste Aktionen fanden, organisiert von den Jugendbewegungen TCŞ (Tewgera Ciwanên Şoreşger) und TekoJIN (Jinên Ciwanên Tekoşer), in der Nacht bereits in Bern und Genf statt.