Gefangene IS-Mitglieder wollen wieder zurück in die Türkei

Rund 500 IS-Dschihadisten aus zentralasiatischen Ländern, die sich gestern in al-Bagouz den Demokratischen Kräften Syriens ergeben haben, äußerten den „Wunsch“, in die Türkei zurückzukehren. „Wir kamen aus der Türkei und wollen wieder zurück“, sagen sie.

Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben vor vier Tagen ihre Operation zur Zerschlagung der letzten Territorialherrschaft des IS wieder aufgenommen. De letzte Operation der Offensive „Gewittersturm Cizîrê“ begann am 9. Februar mit dem Vorrücken der QSD auf den letzten Rest des sogenannten „Kalifats“. Seitdem konnten über 10.000 Menschen aus al-Bagouz evakuiert werden.

Bei der Mehrzahl von ihnen handelt es sich um Familien von IS-Dschihadisten. Gestern wurde die Offensive gegen die letzte IS-Enklave an einer Front unterbrochen, da sich immer noch Zivilisten in dem Dorf befinden, die von den Islamisten als Schutzschilde benutzt werden. Um diese Menschen evakuieren zu können, wurde dort ein weiterer Fluchtkorridor eingerichtet, über den auch IS-Angehörige, die sich ergeben wollten, das Dorf verlassen haben.

Noch mindestens 1.000 IS-Dschihadisten in al-Bagouz

In al-Bagouz befinden sich noch mindestens 1.000 vor allem ausländische IS-Dschihadisten und ihre Familien, die sich weigern aufzugeben. Von den rund 600 Personen gestern aus al-Bagouz evakuierten Personen stammen mehr als 500 aus zentralasiatischen Ländern wie Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan. Sie gaben an, nach Syrien über die Türkei eingereist zu sein. Im ANF-Gespräch äußerten sie den Wunsch, dorthin zurückzukehren. „Wir kamen aus der Türkei und wollen wieder zurück in die Türkei“, sagten sie.

Keiner der IS-Dschihadisten will eine Waffe getragen haben

Einer dieser Dschihadisten nennt sich Mustafa Turkmenistan. Wie sein Name verrät, stammt er aus dem Land am Kaspischen Meer. Nach seinem Entschluss, sich dem sogenannten IS anzuschließen, sei er in die Türkei gereist, erklärt er. Ihn habe die Propaganda „Im Islamischen Staat gibt es Geld und Reichtum“ dazu bewegt, nach einer Weile in der Türkei weiter nach Syrien zu reisen. Er behauptet, nicht an Gräueltaten der Terrormiliz beteiligt gewesen zu sein, sondern habe lediglich „Handel betrieben“. Seine Heimat Turkmenistan hätte er verlassen, weil er dort unterdrückt worden sei. „Ich bereue es, hierhergekommen zu sein“, sagt er. Auf die Frage, was er von nun an tun wolle, antwortet Mustafa Turkmenistan: „Ich will zurück in die Türkei“.

„Turkmenistan hat uns unterdrückt, das Leben in der Türkei ist zu kostspielig“

Ein weiterer turkmenischer IS-Dschihadist, mit dem wir sprechen, nennt sich Miradil. Gemeinsam mit seinem Onkel sei er 2016 in die Türkei gereist, um sich anschließend im Irak dem „Islamischen Staat“ anzuschließen. Auch er behauptet, „Kaufmann“ zu sein. „Ich habe niemals zur Waffe gegriffen. In Turkmenistan ging es uns sehr schlecht. Wir gingen in die Türkei, doch da war das Leben sehr kostspielig. Ein Bekannter erzählte uns, dass wir in Syrien Häuser und Reichtum besitzen könnten. Deshalb kamen wir mit unserer gesamten Familie hierher. Doch ich bereue es. Meine Eltern haben diesen Ort bereits mit den anderen Evakuierten verlassen und befinden sich mittlerweile in einem Camp. Wir wollen wieder zurück in die Türkei“.

IS-Dschihadist: In der Türkei gibt es Demokratie

Auch der IS-Dschihadist Abu Muhammad behauptet, sich vor drei Jahren aus wirtschaftlichen Gründen der Terrormiliz angeschlossen zu haben und wieder zurück in die Türkei zu wollen. Wir möchten wissen, warum er gerade dorthin will. Er sagt tatsächlich: „Weil es dort Demokratie gibt“.

Ein verletzter turkmenischer Dschihadist erklärt uns: „Ich wollte nach islamischen Regeln leben und meine Kinder in einer islamischen Kultur erziehen. Deshalb kam ich hierher“. Wir fragen, ob er seine Religion nicht in seinem eigenen Land hätte praktizieren können, schließlich sind 90 Prozent der Bewohner*innen Turkmenistans Muslime. Der Dschihadist antwortet: „In Turkmenistan gibt es nicht die Möglichkeiten, nach dem Islam zu leben“.

Heftige Gefechte in al-Bagouz

Die über den Fluchtkorridor evakuierten IS-Mitglieder werden in al-Bagouz nach einer Identitätsfeststellung von ihren Angehörigen getrennt und anschließend verhört. Ihre Grundbedürfnisse werden von den QSD gedeckt. Bis es zu einem Prozess oder eine weitere Evakuierung kommt, verbleiben sie in den Camps. Während die Evakuierung der IS-Mitglieder auch weiterhin läuft, finden gleichzeitig Gefechte mit den in al-Bagouz verbliebenen Islamisten statt, die sich weigern, die letzte Dschihadistenenklave Ostsyriens zu verlassen.