Folter in der Türkei und den besetzten Gebieten in Nordsyrien

„Sie haben mir die Hände auf dem Rücken gefesselt und Stromschläge verpasst“, berichtet der aus Rojava stammende Elî Welî über seine Folter durch Soldaten in der Türkei und türkeitreue Söldner in Nordsyrien.

„Stromschläge, Todesdrohungen und Schläge“

Der heute 18-jährige Elî Welî hat ein Jahr und zwei Monate in Haft und unter Folter verbracht. Der junge Mann aus Dirbesiyê war beim Grenzübertritt in die Türkei festgenommen, schwer gefoltert und anschließend protürkischen Söldnern übergeben worden. Er berichtete gegenüber der Nachrichtenagentur ANHA über seine Tortur.

Elî Welî hatte sich von Dirbesiyê in Rojava am 22. Juni 2023 auf den Weg nach Europa gemacht. Er wollte nach Europa reisen und später seine an Autismus erkrankte Schwester zur Behandlung nachholen. Der Weg nach Europa sollte ihm bereits an der türkischen Grenze nach Nordkurdistan zum Verhängnis werden. Er wurde bei Qoser (tr. Kızıltepe) von türkischen Soldaten festgenommen und befand sich neun Monate in Erzingan (Erzincan) in Haft. Am 12. März 2024 sollte er freigelassen werden. Vor dem Gefängnistor wurde er von Vermummten entführt und protürkischen Söldnern im besetzten Girê Spî in Nordsyrien übergeben.

Einige Tage nach der Entführung riefen Personen, die Türkisch und Arabisch sprachen und sich als Mitglieder des türkischen Geheimdienstes (MIT) ausgaben, bei Welîs Familie an und versuchten sie zu erpressen. Die Familie sollte für den türkischen Staat spionieren. Ihr wurden Aufnahmen von der Folterung von Elî Welî geschickt. Welî befand sich vier Monate lang in der Gefangenschaft der Söldner. Schließlich wurde er am 4. Juli 2024 für ein Lösegeld von 9.800 USD freigelassen.

Von türkischen Soldaten gefoltert

Welî berichtete, dass er am Busbahnhof in Mêrdîn (Mardin) von türkischen Soldaten festgenommen worden war. Anschließend sei er von ihnen misshandelt und ins Gefängnis gebracht worden. Im ersten Monat sei er mehrfach von arabischsprechenden Personen bedroht worden: „Wir werden mit deiner Familie Kontakt aufnehmen. Sagen Sie uns, wie die Beziehungen zwischen den QSD (Demokratische Kräfte Syriens) und der Bevölkerung funktionieren. Ich sagte ihnen, dass ich nichts wüsste, aber sie drohten mir mit den Worten: ‚Dir wird etwas passieren.‘“

Sie zeigten mir das Foto meiner Schwester und stießen Drohungen aus“

Welî erzählte, dass die Personen noch mehrmals zu ihm gekommen seien. Einmal hätten sie ihm ein Foto seiner kranken Schwester gezeigt. Er erinnerte sich: „Sie wollten, dass ich mit meinem Vater spreche. Sie wollten, dass mein Vater mit ihnen kollaboriert. Sie riefen meinen Vater an und gaben mir das Telefon. Als ich meinen Vater auf Kurdisch begrüßte, nahmen sie mir das Telefon weg und sprachen selbst mit ihm. Sie setzten meinem Vater unter Druck, für sie als Spitzel tätig zu werden und drohten: ‚Wenn du nicht tust, was wir wollen, wird deinem Sohn etwas passieren. Wir können machen, was wir wollen. Wir wollen, dass du uns darüber informierst, was passiert, wir wollen, dass du für uns arbeitest.‘ Gleichzeitig haben sie mich geschlagen und gefoltert.“

Entführt und den Söldnern übergeben

Nach fünf Monaten im Gefängnis in Mêrdîn und vier Monaten Gefängnis in Erzingan wurde Welî verschleppt. Er berichtete: „Vor dem Gefängnis wurde ich von Vermummten mitgenommen. Sie sagten: ‚Wir werden dich in das Lager in Riha (Urfa) bringen.‘ Sie brachten mich dorthin. Nach zwei Stunden zwangen sie mich in ein Fahrzeug und brachten mich an die Grenze bei Girê Spî. Dort waren viele Soldaten. Es kamen zwei Fahrzeuge der Söldner. Sie machten Fotos von mir. Sie nahmen alle meine persönlichen Daten auf und schickten mich mit ihnen.“

Folter bei den protürktischen Söldnern

Ihm wurden die Augen verbunden und er wurde in ein Fahrzeug gesetzt, erzählte Welî weiter: „Die Art, wie sie sprachen, ließ darauf schließen, dass es Syrer waren. Ich war sehr verängstigt. Es waren auch wieder diejenigen da, die mich bedroht hatten. Nachdem sie mir die Augenbinde abgenommen hatten, bedrohten sie mich erneut. Sie sagten mir: Wir haben dich hierher an diesen abgelegenen Ort gebracht. Dein Anwalt weiß nicht, dass du hier bist. Du kannst hier nichts tun. Wenn du und deine Familie uns dieses Mal nicht helfen, werden wir dich foltern und töten.“

Sie haben mich gefoltert und das Ganze auf Video aufgezeichnet“

Welî berichtete von schweren Folterungen: „Sie fesselten mir die Hände auf den Rücken und gaben mir Elektroschocks. Sie sagten mir, dass sie mich an einen Ort bringen würden, an dem sie mir noch mehr Elektroschocks verpassen würden, wenn ich ihre Fragen nicht richtig beantwortete und dass mein Tod bereits angeordnet worden sei. Dann verbanden sie mir die Augen und brachten mich wieder zur Grenze bei Girê Spî. Dieselbe MIT-Gruppe kam wieder. Sie gingen mit einem Schlauch auf mich los und begannen, mich zu schlagen. Blut kam aus meinem Mund und meiner Nase. Jeder Teil meines Körpers schmerzte. Sie versetzten mir einen Schlag auf den Kopf und ich verlor das Bewusstsein. Sie machten Aufnahmen von mir und schickten sie an meine Familie. Sie sagten, dass sie mich innerhalb von drei Tagen umbringen würden, wenn mein Vater nicht mit ihnen zusammenarbeiten würde.“

41 Tage in Einzelhaft

Nach der Folter wurde er in eine Hafteinrichtung der Söldner gebracht, wo er 41 Tage lang in einer Einzelzelle festgehalten wurde. Seine Haut entzündete sich und er erkrankte aufgrund der Bedingungen in der Zelle. Aufgrund seines Gesundheitszustands wurde Welî in das Zentralgefängnis gebracht und dann in ein anderes Gefängnis in Serêkaniyê verlegt. Dort forderten Söldner von Elî Welîs Familie ein Lösegeld von 9.800 Dollar. Nachdem seine Familie das Lösegeld bezahlt hatte, wurde Elî Welî über Schmuggelwege bei Dirbêsiyê entlassen.

Diejenigen, die nach Europa wollen, sollen sich mein Schicksal anschauen“

Welî sprach eine Warnung an alle aus, die nach Europa gehen wollten: „Schaut mich an, was ich durchgemacht habe. Schaut meine Lage an. Der Weg nach Europa bringt nichts. Ich bin in mein Land zurückgekehrt und ich werde hierbleiben. Ich bedaure, dass ich von hier weggehen wollte.“