Ezidischer Junge als FSA-Kämpfer getötet?
Ein im August 2014 beim IS-Überfall auf Şengal verschleppter ezidischer Junge soll bei Kämpfen in der syrischen Provinz Hama als Mitglied der protürkischen „FSA“ getötet worden sein.
Ein im August 2014 beim IS-Überfall auf Şengal verschleppter ezidischer Junge soll bei Kämpfen in der syrischen Provinz Hama als Mitglied der protürkischen „FSA“ getötet worden sein.
Ein beim Überfall der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) am 3. August 2014 aus dem Şengal verschleppter ezidischer Junge ist offenbar als Mitglied der unter türkischer Schirmherrschaft agierenden „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) bei Kämpfen um die Provinz Hama getötet worden. Das berichtet die Nachrichtenagentur ANHA (Hawarnews), die ihren Sitz in Rojava/Nordsyrien hat. Weiter heißt es, SNA-nahe Accounts hätten den Tod des Eziden in sozialen Netzwerken publik gemacht. Angeblich sei der Junge zum Zeitpunkt seines Todes elf Jahre alt gewesen, möglicherweise ist er jedoch älter.
Nach ANHA-Informationen wurde „Abu Bakr al-Sinjari“, so lautete der Kampfname des vermeintlich ezidischen Minderjährigen, am vergangenen Sonntag von syrischen Regimekräften getötet. Er soll Angehöriger der islamistischen Gruppierung „Jaish Ali Ibn Abi Talib” gewesen sein, die im März 2015 in Ost-Ghouta von der Miliz Jaish al-Islam (‚Armee des Islam‘) gegründet wurde. Jaish al-Islam wird von Saudi-Arabien unterstützt und gehört der Dschihadistenallianz SNA an. Die SNA wiederum besteht aus verschiedenen islamistischen, ehemals der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) zugehörigen Milizen, die vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als „Kuvayı Milliye Syriens“ verehrt werden. Die Kuvayı Milliye (deutsch: Nationale Kräfte) waren die ersten bewaffneten Gruppen, die sich nach der Besetzung durch Truppen der Triple Entente (Vereinigten Königreich, Frankreich und Russland) nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg bildeten.
Ein weiteres im Internet kursierenden Foto zeigt „Abu Bakr al-Sinjari“ mit mehreren Dschihadisten an einer Front in Kafr Nabuda, etwa 40 Kilometer nördlich von Hama. Unklar ist, wie der Ezide zur Jaish Ali Ibn Abi Talib kam, die eigenen Angaben nach „speziell für den Kampf gegen den IS“ gegründet wurde. Möglich ist, dass er im Zuge von Spannungen zwischen dem IS und Jaish al-Islam, zu denen es in den vergangenen Jahren in Syrien immer wieder gekommen ist, in die Hände der IS-Rivalen geraten ist. Die Jaish al-Islam gehört auch der Syrischen Nationalen Koalition (ETILAF), dem von den Muslimbrüdern dominierten Bündnis der sogenannten „Istanbuler Opposition“, an. ETILAF hat von Beginn an gegen die demokratische Selbstverwaltung von Nordsyrien und Rojava gekämpft und türkische Interessen in der Region vertreten. Die Bundesregierung stellt das Milizbündnis jedoch als eine demokratische, pluralistische Opposition dar. In der Hauptstadt Berlin unterhält ETILAF eine offizielle Vertretung.
Der sogenannte IS hatte beim Überfall auf Şengal, dem Hauptsiedlungsgebiet der ezidischen Bevölkerung, das zu den umstrittenen Gebieten des Nordiraks gehört, Tausende Frauen und Kinder verschleppt und versklavt, misshandelt und sexuell ausgebeutet. Ezidische Jungen wurden zur Konvertierung gezwungen und in speziellen Camps zu Kindersoldaten ausgebildet. Dort wurde ihnen beigebracht, wie man Kehlen durchschneidet und sich selbst in die Luft sprengt. Viele dieser ezidischen Jungen setzte der IS in Städten wie Kobanê und Raqqa an seinen vordersten Fronten ein. Anfang 2017 verübten die zu Kindersoldaten ausgebildeten ezidischen Jungen Amjad (13) und Asaad (12) in der nordirakischen Stadt Mosul zwei verheerende Bombenanschläge auf irakische Militärposten. Im Rahmen der Offensive „Gewittersturm Cizîrê“ der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), die Ende März mit der erfolgreichen Zerschlagung der Terrormiliz in Syrien beendet wurde, waren etliche ezidische Frauen und Kinder aus der IS-Gefangenschaft befreit und anschließend in ihre Heimat zurückgebracht worden. Viele der Kinder berichteten, vom IS zu Selbstmordattentätern ausgebildet worden zu sein.