In Amûdê geht das internationale Forum zum „Islamischen Staat“ (IS) heute am dritten und letzten Tag weiter. An der vom Zentrum für strategische Studien Rojava (Navenda Rojava a Lêkolînên Stratejîk, NRLS) organisierten Veranstaltung nehmen Hunderte Fachleute aus dem In- und Ausland teil. Wir haben am Rande des Forums mit Politikern und Journalisten aus Südkurdistan gesprochen. Ihrer Meinung nach hat der IS in militärischer Hinsicht einen schweren Schlag erlitten, aber der türkische Staat versucht momentan insbesondere mit seiner Besatzungsoperation in Südkurdistan den Platz des IS einzunehmen. Der Angriff der Türkei richte sich nicht gegen einen Teil der Kurden oder einen Teil Kurdistans, daher schlagen sie vor, eine gesamtkurdische Bewegung zu gründen.
Ein Angriff auf alle Kurdinnen und Kurden
Einer der Forumsteilnehmer aus Südkurdistan ist Rêvel Îbrahim. Er ist Mitglied der Kommunistischen Partei Kurdistan und erklärt zum Kampf gegen den IS: „Wir haben einen hohen Preis gezahlt und dadurch einen gewissen Fortschritt gemacht. Jetzt ist die Zeit gekommen, einen politischen Gewinn daraus machen.“ Zu der Gefahr, den der türkische Staat für das kurdische Volk darstellt, sagt er: „Der türkische Staat hat sich den Kurden gegenüber seinem historischen Charakter entsprechend immer feindlich verhalten. Es geht nicht um Bakur, Başûr, Rojava oder Rojhilat [Norden, Süden, Westen, Osten]. Der türkische Staat hat alle Kurden im Visier. Wir sollten uns jedoch nicht darauf fixieren, sondern uns selbst in Augenschein nehmen und uns Gedanken darüber machen, wie wir dagegen kämpfen und eine politische Lösung finden können.“
Die vier Teile Kurdistans sind nicht unabhängig voneinander
Ein weiterer Teilnehmer ist Dr. Kawa Mehmûd, der Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kurdistans. Er betont die Notwendigkeit eines umfassenden Kampfes nach dem militärischen Sieg über den IS: „Die militärischen Errungenschaften müssen in einen politischen Gewinn umgewandelt werden.“ Die Angriffe des türkischen Staates auf Südkurdistan bezeichnet er als „Fortsetzung der Ziele des IS“ und erklärt: „Rojava, Başûr und die anderen Teile Kurdistans sind nicht unabhängig voneinander. Kein Angriff auf einen Teil entwickelt sich unabhängig von den anderen Teilen. Oder können wir etwa die Besatzung von Kerkûk unabhängig von der Besatzung Efrîns betrachten? Darüber müssen wir hier nachdenken.“
Vorschlag einer gesamtkurdischen Bewegung
„Die Angriffe des türkischen Staates auf die Region Behdînan zeigen, dass die Realpolitik uns Kurden ein gemeinsames Vorgehen auferlegt“, fährt der südkurdische Politiker fort. Für die Kurden bestehe Bedarf nach einer gesamtkurdischen Bewegung, die alle Teile Kurdistans umfasse. „Jeder Teil mag gewisse Besonderheiten aufweisen, aber es geht hier um einen massiven Angriff, der auf eine Besatzung abzielt. Deshalb müssen wir uns eine gemeinsame Haltung zulegen.“
Die Idee des IS existiert weiter
Der Journalist Hîwa Seyîd Selîm verweist darauf, dass die Idee des IS weiter existiert und sich im türkischen Staat manifestiert: „Wo auch immer sich ein Fortschritt für die Kurden abzeichnet, stellt sich der türkische Staat als eine Besatzungsmacht in Kurdistan dagegen. Bei den aktuellen Angriffen des türkischen Staates auf Südkurdistan handelt es sich um eine Fortsetzung der Angriffe des IS. Richtig, das kurdische Volk aus allen Teilen Kurdistan hat einen hohen Preis gezahlt und die Gefahr des IS bis zu einem gewissen Grad eingedämmt, aber jetzt ist der türkische Staat mit dem gleichen Ziel aktiv geworden.“
Angesichts der Angriffe müssten die Kurden in allen Landesteilen „mit einer Stimme sprechen“, betont der Journalist: „Nachdem die AKP und MHP die Großstädte in der Türkei verloren haben, wollen sie den Krieg gegen die Kurden ausweiten, um sich an der Macht zu halten. Was sie vorhaben, ist die Fortsetzung von dem, was der IS getan hat. Das Volk Kurdistans muss gegen diese Angriffe zu einer Stimme, einem Herzen und einer Stellung werden.“