Bundesaußenministerin in Damaskus
Politiker:innen aus der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien sind in Damaskus mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock zusammengetroffen. Wie die Demokratische Selbstverwaltung (DAANES) mitteilte, traf sich eine Delegation des Demokratischen Syrienrats (MSD) mit der Grünen-Politikerin, um die Situation in Syrien nach dem Fall von Ex-Präsident Baschar al-Assad zu diskutieren. Baerbock habe die Gelegenheit genutzt, zum kurdischen Neujahrsfest Newroz zu gratulieren.
Kritik an Übergangsverfassung
Das Gespräch fand am Donnerstag statt. Baerbock war in der syrischen Hauptstadt, um die nach Beginn des Krieges 2012 geschlossene Botschaft Deutschlands zu eröffnen. Die nordostsyrische Delegation unter Leitung der Ko-Vorsitzenden des MSD, Layla Qaraman, äußerte sich laut einer Mitteilung gegenüber Baerbock kritisch zu der von der neuen Damaszener Regierung verabschiedeten Übergangsverfassung.
Massaker an alawitischer Bevölkerung
Das Papier reproduziere den Autoritarismus des Assad-Regimes in einer neuen Form, indem es „eine zentralisierte Herrschaft festschreibt und der Exekutive weitreichende Befugnisse einräumt“, so die Kritik. So werde der Weg zu einem demokratischen Wandel erschwert. Auf dem Treffen seien auch die Ereignisse und die Massaker an der syrischen Küste sowie die dadurch ausgelösten wachsenden Ängste und Sorgen erörtert worden. Diese Entwicklungen könnten sich negativ auf den Übergangsprozess auswirken und die Instabilität verschärfen, wenn sie nicht angegangen werden, warnte der MSD.

Der Demokratische Syrienrat ist eine 2015 gegründete Versammlung, die politische Parteien und Organisationen in Nord- und Ostsyrien vertritt. Der MSD schafft einen politischen Rahmen für die Regierungsführung in Syrien nach einem dezentralen und föderalen Modell. Er ist das politische Gremium, dem die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) Bericht erstatten. Er ist auch das politische Gegenstück zur Demokratischen Selbstverwaltung (DAANES), die mehr administrative und exekutive Funktionen übernimmt. Die Verhandlungen mit der syrischen Regierung sowie die diplomatischen Beziehungen mit anderen Ländern werden in der Regel über den MSD geführt. Die derzeitigen Ko-Vorsitzenden des Gremiums sind die Kurdin Layla Qaraman und der Araber Dr. Mahmoud al-Mislat. | Foto: Layla Qaraman (m.) mit Annalena Baerbock (r.) © MSD
In den Küstenprovinzen Latakia und Tartus, aber auch in Homs und Hama sowie weiteren Gebieten im Westen des Landes waren in den letzten Wochen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte etwa 1.500 Zivilist:innen von Angehörigen der Regierungstruppen und verbündeten Dschihadistenmilizen getötet worden, die meisten davon Angehörige der alawitischen Minderheit.
Die aus der islamistischen „Allianz zur Befreiung der Levante“, „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) hervorgegangene „Übergangsregierung“ und deren Chef Abu Muhammed al-Dschaulani, mit bürgerlichem Namen Ahmed al-Scharaa, stellen die Massaker als „Militäroperation gegen Assad-Loyalisten“ dar, die ausgeufert sei. „Es wurde zu einer Gelegenheit für Rache“ für jahrelang aufgestauten Unmut, sagte al-Scharaa in einem Interview. Gleichzeitig kündigte er an, eine Kommission zur „Untersuchung des Geschehens in den Provinzen am Meer“ eingerichtet zu haben, um die Verantwortlichen „zur Rechenschaft zu ziehen“.