„Das Volk steht aufrecht im Kampf“

Die Völker von Nord- und Ostsyrien befinden sich im Widerstand. Meinungen von Angehörigen verschiedener Gemeinschaften der Region zeigen die Entschlossenheit, gegen die türkische Invasion zu kämpfen.

Die türkische Armee greift seit dem 5. Oktober die zivile Infrastruktur, Dörfer, Sicherheitspersonal und Verteidigungskräfte in Nord- und Ostsyrien an. Mittlerweile gibt es viele Opfer der Angriffe, Tote und Verletzte. ANF hat die Stimmung von Angehörigen verschiedener Bevölkerungsgruppen in Gesprächen eingefangen. Viele zeigen sich trotz allem entschlossen zum Widerstand und zur Verteidigung der Region.

Kein Angriff, egal wie heftig, kann unseren Willen brechen“

Die christlich geprägte Bevölkerungsgruppe der Suryoye stellt einen wichtigen Teil der Selbstverwaltung und Verteidigung von Nord- und Ostsyrien dar. Einer der Suryoye ist Bitris Basin Beshiryom. Er selbst ist Vater eines bei der Verteidigung der Revolution von Rojava gefallenen Kämpfers. Er sagt: „Die Revolution von Rojava ist eine Revolution der Gefallenen. Aus diesem Grund können die Angriffe, egal wie heftig sie sind, unseren Willen nicht brechen, und niemand sollte meinen, dass wir unser Land aufgeben und fliehen. Unsere Mütter und Väter, Großmütter und Großväter sind auf diesem Land geboren, aufgewachsen und gestorben. Wir können unserer Vergangenheit nicht den Rücken kehren und einfach weggehen. Denn wir haben einen festen Willen, eine Philosophie, einen Kampf, eine Sprache, eine Identität und ein freies Land. Diese Möglichkeiten wurden durch die Opfer der Gefallenen geschaffen. In der Region, in der wir leben, wird die Geschwisterlichkeit der Völker verwirklicht, auch das Volk der Suryoye hat seinen Platz darin gefunden. Wir werden nicht zurückweichen, bis der Sieg errungen ist, sondern immer vorwärts schreiten.“

Angriff auf alle Völker der Region“


Beshiryom betont, dass sich nicht nur das Volk der Suryoye, sondern auch die kurdische, arabische, turkmenische, tscherkessische und assyrische Bevölkerung gegen die Angriffe des türkischen Staates stellt, und fährt fort: „Der türkische Staat vergießt das Blut unserer Kinder und massakriert die Völker mit seinen Angriffen. Die Angriffe auf Nord- und Ostsyrien sind nicht nur Angriffe gegen das kurdische Volk, sondern ein umfassender Angriff gegen alle hier.“

Schluss mit dem Schweigen“

Er appelliert an die internationalen Mächte: „Die internationalen Mächte sollten nicht zu den Angriffen des türkischen Faschismus schweigen. Er versucht, sich selbst durch Völkermord aufrecht zu erhalten. Die Völker von Rojava sind aber eins und sie sind im Recht. Die Rechte der Völker in Rojava müssen von den internationalen Mächten so geschützt und beachtet werden, wie die anderer Völker der Welt. Das Schweigen zu den Verbrechen gegenüber den Völkern von Rojava muss aufhören.“

Durch die Besetzung soll die Bevölkerung der Region homogenisiert werden“

In Rojava leben auch viele Armenier:innen. Kohar Khaduryan ist eine von ihnen. Sie sagt: „Es handelt sich bei dem Angriff auf Nord- und Ostsyrien um einen Angriff auf die hier lebenden ethnischen, konfessionellen und religiösen Identitäten. Es handelt sich zudem um einen Angriff auf das Projekt der demokratischen Selbstverwaltung, da es nicht dem türkischen Chauvinismus dient.“


Kohar Khaduryan weist darauf hin, dass es sich bei den angegriffenen Orten um Krankenhäuser, Wasserwerke, Kraftwerke und Energieversorgungseinrichtungen handelt. Diese Angriffe richteten sich also gezielt gegen das zivile Leben. Der türkische Staat versuche, die gesamte Region unter seine Kontrolle zu bringen und sie im Sinne seines Mottos „eine Sprache, eine Weltanschauung, eine Nation und eine Fahne“ zu homogenisieren. Dies solle durch Vertreibungen aus der Region umgesetzt werden.

„Der türkische Staat massakriert Armenier:innen in Bergkarabach [Republik Arzach] und will nun Massaker und einen Völkermord in Rojava verüben. Auf der Jagd nach dem osmanischen Traum missachtet er die Sprache, Identität und Geschichte der Völker“, so Khaduryan.

Schweigt nicht“

Die armenische Bevölkerung sei gemeinsam mit den übrigen Völkern der Region permanent auf der Straße, erklärt Khaduryan und fährt fort: „Die internationale Gemeinschaft, die Menschenrechtsinstitutionen und -organisationen sowie die internationalen Sicherheitsorgane dürfen zu den terroristischen Angriffen des türkischen Staates nicht schweigen, sondern müssen eine entschlossene Haltung einnehmen.“

Der türkische Staat lebt vom Blut“

Der Kurde Ayid Ibrahim erklärt: „Es sind nicht die ersten Angriffe auf die Errungenschaften der Völker. Es waren das Volk von Rojava und der kurdische Freiheitskampf, die den IS-Terror zerschlagen haben. Der türkische Staat ist ein faschistischer Staat. Er setzt seine Existenz fort, indem er sich vom Blut der Völker nährt. Unfähig, die Errungenschaften der Völker zu tolerieren, verübt er Massaker.“


Die Stabilität und Sicherheit der Region sind dem türkischen Staat ein Dorn im Auge“

„Die brutalen Angriffe der türkischen Armee stellen einen Verstoß gegen internationales Recht dar“, betont Ayid Îbrahîm. „Dank der tapferen Gefallenen und des Paradigmas der demokratischen Nation haben wir in Nord- und Ostsyrien große Errungenschaften zustande gebracht. Dank dieser Errungenschaften haben die Völker die Möglichkeit, friedlich zusammenzuleben. Dank dieser in einem von Krieg und Chaos geprägten Umfeld erkämpften demokratischen Errungenschaften konnten Sicherheit und Stabilität in der Region hergestellt werden. Die Sicherheit und Stabilität, die in der Region unter großen Opfern geschaffen wurde, war dem türkischen Staat stets ein Dorn im Auge. Mit seinen Tag für Tag neuen Angriffen hat er 2018 begonnen, unser Land zu besetzen. Er versucht seit dem ersten Tag der Revolution, seine schmutzigen Pläne für die Region in die Tat umzusetzen, dazu greift er an und vergießt das Blut unserer Söhne und Töchter.“

Der Kampf geht weiter“

Îbrahîm schließt mit den Worten: „Unser Volk steht aufrecht, es befindet sich im Widerstand, im Kampf. Unser Volk war und wird immer mit seinen Gefallenen, der Philosophie von Rêber Apo [Abdullah Öcalan], seinem Land und seinen Selbstverteidigungskräften verbunden bleiben. Unser Volk hat seinen Kampf nie aufgegeben, es setzt seinen Weg auf der Grundlage seines Widerstandsversprechens an Rêber Apo und die Gefallenen fort. Unser Volk wird den türkischen Staat auf dem Weg zur Freiheit besiegen.“