Bedran Çiya Kurd: Syrien braucht einen gänzlich neuen Ansatz

Der kurdische Politiker Bedran Çiya Kurd hat an den Gesprächen zwischen der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens und der syrischen Regierung teilgenommen. Damaskus beharrt auf seinem alten Ansatz. Russland soll als Garantiegeber Druck ausüben.

Bedran Çiya Kurd ist stellvertretender Ko-Vorsitzender der Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien und war Teil der Delegation, die von Russland vermittelte Gespräche mit der syrischen Regierung in Damaskus geführt hat. Im kurdischen Fernsehsender Ronahî TV hat sich der Politiker zum Inhalt der Gespräche und einer vor wenigen Tagen erfolgten Erklärung des stellvertretenden syrischen Außenministers Faisal al-Miqdad geäußert. Das Vorgehen des syrischen Regimes sei immer noch von der Denkweise aus der Zeit vor 2011 bestimmt, stellte Çiya Kurd fest.

Keine lösungsorientierte Denkweise

Al-Miqdad hatte erklärt, dass die Autonomieverwaltung abgelehnt wird. Bedran Çiya Kurd sagte dazu, dass Verlautbarungen dieser Art einem Dialog nicht dienlich sind. Diese Haltung bedeute, dass gar nicht der Wunsch nach einer Lösung der Probleme in Syrien bestehe. Es werde so getan, als ob in den letzten neun Jahren gar nichts vorgefallen sei: „Das Land soll regiert werden wie vor 2011. Mit dieser Denkweise lassen sich die Probleme niemals lösen. Vielmehr wird die Krise dadurch vertieft.“

Die Autonomieverwaltung messe Gesprächen mit der syrischen Regierung Wert bei, erklärte Çiya Kurd: „Es haben Gespräche mit Damaskus stattgefunden. Diese unter russischer Vermittlung stattgefundenen Gespräche waren etwas Neues. Gerade in einer solchen Phase müssen alle abgegebenen Erklärungen konstruktiv zu einer Lösung der Probleme beitragen. Diese Art von Erklärungen der Regierung in Damaskus haben wir bereits früher kritisiert. Es wird behauptet, dass wir Syrien teilen wollen. Wir weisen diese Behauptung rigoros zurück und sagen, dass sie nichts mit der Realität zu tun hat.“

Bedarf nach einer neuen Verfassung

„Wir sind für ein Projekt, das eine Garantie der Rechte aller Völker und Glaubensgemeinschaften innerhalb der Gesamtheit Syriens vorsieht. Und wir sind davon überzeugt, dass dieses Projekt die Tür für eine Lösung der Syrienkrise bedeutet“, so Çiya Kurd. „Das Potential und die Erfahrung der Autonomieverwaltung stellen eine Stärke dar, die zur Lösung der Probleme in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Sicherheit maßgeblich beitragen kann. Die Regierung in Damaskus muss einsehen, dass es nicht angeht, die Autonomieverwaltung als rote Linie zu betrachten und die Probleme mit alten Methoden zu lösen. Sie muss auch einsehen, dass dieses Land eine neue Verfassung braucht.“

„Wir beharren auf einem Dialog“

Bedran Çiya Kurd betonte, dass die Autonomieverwaltung auf einem Dialog beharrt: „Eine innersyrische Lösung ist für uns von strategischer Bedeutung. Wir werden unseren Kampf auf diesem Weg fortsetzen. Wenn aus der Regierung in Damaskus derartige Erklärungen kommen, zeigt es, dass es intern verschiedene Meinungen gibt. Die Methode des Dialogs ist kein leichter Weg. Nichts wird sich innerhalb kurzer Zeit lösen lassen. Es wird zu ernsten Problemen kommen. Die Regierung in Damaskus muss mit gebotenem Ernst mit der Angelegenheit umgehen und darf nicht zulassen, dass aus jeder Ecke eine andere Stimme ertönt.“

„Regierung in Damaskus hat kein Projekt“

Zu den Inhalten der Gespräche in Damaskus erklärte Çiya Kurd, dass das syrische Regime über kein ernstes und neues Lösungsprojekt verfügt: „Nach unserem bisherigen Eindruck hat die Regierung kein ernsthaftes Projekt für eine Lösung der Probleme. Es gibt auch nicht viel Neues bei den Sachen, an die sie denkt. Sie stellt eine Diskussion über den 107. Artikel der Verfassung in Aussicht. Dieser Artikel regelt die lokalen Regierungsstrukturen. Sie sagt außerdem, dass die QSD und die Sicherheitskräfte vollständig in die syrische Armee eingegliedert werden müssen. Auch zum Thema Bildung, Sprache und Kultur gibt es unterschiedliche Meinungen. Syrien braucht jedoch ein komplett neues Projekt. Wenn Damaskus derartig weitermacht, entsteht eine noch schlechtere Situation in Syrien. Deshalb sagen wir, dass ein gänzlich neuer Ansatz notwendig ist.“

„Moskau muss Druck auf Damaskus ausüben“

Bedran Çiya Kurd äußerte sich auch zu der Rolle Russlands als Vermittler bei den Gesprächen: „Russland hat bisher nicht auf die Haltung der Regierung in Damaskus reagiert. Auch Russland denkt nicht viel anders als Damaskus. Russland bemüht sich in dem von Damaskus vorgesehenen Rahmen um eine Annäherung zwischen der Autonomieverwaltung und der Regierung. Aber was Damaskus und Russland wollen, wird von den Völkern Nordostsyriens nicht akzeptiert. Damaskus schwebt etwas Ähnliches vor in Daraa. Zu diesem Thema hat auch Russland kein klares Lösungsprojekt. Die Russen sagen nur, dass sie parteilos sind und akzeptieren, worauf wir und Damaskus uns einigen. Auch wir sind der Meinung, dass es bei diesem Thema unparteiische Garantiegeber geben muss. Und an diesem Punkt liegt die Verantwortung bei Russland. Russland muss die Regierung in Damaskus zu einer Lösung ermutigen und Druck ausüben. Auch Russland sieht, dass eine Rückkehr in die Zeit vor 2011 schwierig ist. Das ist etwas, das einfach nicht annehmbar ist. Wenn Russland nur sagt, dass wir die Vorschläge aus Damaskus annehmen sollen oder dass Damaskus unsere Forderungen nicht akzeptiert, fällt auch ein Schatten auf Moskaus Rolle als Garantiegeber.“