Amnesty: 120 Tote in Serêkaniyê und Girê Spî

Amnesty International hat seinen Jahresbericht zu Syrien vorgestellt. Darin dokumentiert die Menschenrechtsorganisation 120 zivile Todesopfer der türkischen Invasion in Serêkaniyê und Girê Spî für den Zeitraum vom 9. Oktober bis 20. Oktober 2019.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat diese Woche ihren Jahresbericht zur Lage in Syrien veröffentlicht und den am Konflikt beteiligten Kräften schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts, Kriegsverbrechen und grobe Menschenrechtsverstöße, die nicht geahndet wurden, vorgeworfen. Außerdem dokumentiert die Organisation 120 zivile Todesopfer im Zuge der türkischen Invasion in den nordsyrischen Städten Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) für den Zeitraum vom 9. Oktober bis 20. Oktober 2019.

„Nach dem Beginn der Militäroffensive der Türkei und der SNA gegen die SDF (Demokratische Kräfte Syriens - QSD, Anm. d. Red.) im Nordosten Syriens am 9. Oktober 2019 waren die Kampfhandlungen von wahllosen Angriffen auf Wohngebiete geprägt, unter anderem auf ein Wohnhaus, eine Bäckerei und eine Schule. Beweise deuteten stark darauf hin, dass die Türkei und die mit ihr verbündeten bewaffneten Gruppen für die Angriffe verantwortlich waren”, heißt es. Außerdem schildert Amnesty die Todesumstände der kurdischen Politikerin Hevrîn Xelef (auch bekannt als Hevrin/Havrin Khalaf). Die Generalsekretärin der Zukunftspartei Syriens (Hizbul Suri Mustakbel) wurde drei Tage nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs auf dem internationalen Verkehrsweg M4 zwischen Qamişlo und Minbic von der protürkischen Dschihadistenmiliz „Ahrar al-Sharqiya“, die als Proxy-Armee des Nato-Partners Türkei an der Invasion in Nordsyrien beteiligt ist, zunächst schwer gefoltert und anschließend hingerichtet. Amnesty dokumentiert: „Sie wurde aus dem Wagen gezerrt, geschlagen und erschossen. Laut Obduktionsbericht wies die Leiche zahlreiche Verletzungen auf, darunter viele Schusswunden, Brüche an Beinen, Gesicht und Schädel. Ihre Kopfhaut war teilweise abgelöst, weil man sie an den Haaren gezogen hatte. Die bewaffnete Gruppe tötete auch den Leibwächter der Politikerin. An derselben Stelle ergriff die bewaffnete Gruppe außerdem zwei kurdische Kämpfer und tötete sie. Zudem entführte sie zwei Zivilisten, die für eine örtliche Gesundheitsorganisation arbeiteten und dabei waren, Medikamente zu transportieren, als sie verschleppt wurden. Die bewaffnete Gruppe machte keine Angaben über den Aufenthaltsort und das Schicksal der beiden Männer.”

Der Jahresbericht von Amnesty gibt zudem Auskunft über die Lage der Menschenrechte in der seit März 2018 von der Türkei und ihren islamistischen Verbündeten besetzten nordsyrischen Region Efrîn. Unter der Rubrik „Beschlagnahmungen und Plünderungen“ weist die Menschenrechtsorganisation darauf hin, dass sich die türkischen Proxys in Efrîn fremdes Privateigentum angeeignet haben und den ursprünglichen Eigentümer*innen den Zugang zu ihrem Hab und Gut verweigern. „Einige der beschlagnahmten Anwesen wurden von den jeweiligen bewaffneten Gruppen als militärische Stützpunkte genutzt. Nach Angaben der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission der UN bezahlten einige Menschen Geld, um ihre gestohlenen Fahrzeuge und andere Dinge zurückzuerhalten. Eigentümer*innen von Olivenhainen mussten den bewaffneten Gruppen eine Steuer auf ihre Ernte entrichten.“

Amnesty International prangert auch die von den Besatzungstruppen in Efrîn genutzten Entführungen zur Lösegelderpressung an. Der Organisation seien 54 Fälle von Zivilpersonen bekannt, die Opfer willkürlicher Festnahmen für Lösegeldzahlungen durch bewaffnete Gruppen, die von der Türkei unterstützt werden, wurden. „Die Strafmaßnahmen betrafen Personen, die ihr Eigentum zurückgefordert hatten oder denen Kontakte zu syrisch-kurdischen Gruppen wie der PYD oder den Volksverteidigungseinheiten (YPG) unterstellt wurden. (…) Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der UN stellte fest, dass vor allem Aktivist*innen und andere Einzelpersonen, die das Vorgehen bewaffneter Gruppen kritisierten oder denen man nachsagte, die frühere Autonomiebehörde unterstützt zu haben, Gefahr liefen, festgenommen, inhaftiert, gefoltert und erpresst zu werden.“

Zahlen und Fakten der QSD zum Krieg der Türkei in Rojava

Laut einem Bericht der Demokratischen Kräfte Syriens von Anfang Januar sind im vergangenen Jahr infolge von Besatzungsangriffen der Türkei und ihren islamistischen Partnern knapp 400.000 Menschen aus ihren Heimatorten vertrieben worden. 522 Zivilist*innen wurden getötet, weitere 2.757 verletzt.