Türkei sperrt Webseite von kurdischer Zeitung „Xwebûn“
Die türkische Justiz hat die Webseite der kurdischen Zeitung „Xwebûn“ gesperrt. Grundlage der Gerichtsentscheidung ist ein umstrittenes Internetgesetz.
Die türkische Justiz hat die Webseite der kurdischen Zeitung „Xwebûn“ gesperrt. Grundlage der Gerichtsentscheidung ist ein umstrittenes Internetgesetz.
Medienschaffende werden festgenommen und mit langjährigen Gefängnisstrafen belegt, die Zensur ist allgegenwärtig, Webseiten werden blockiert: Die Türkei ist ein Land, in dem die Pressefreiheit quasi abgeschafft wurde. Das jüngste Beispiel für die Kontrolle, die der türkische Staat über die Medien ausübt, ist die Sperrung der Internetpräsenz der kurdischen Zeitung „Xwebûn“.
Die von einem Gericht in der Provinz Erzurum getroffene Entscheidung fiel bereits am Donnerstag, wie die Redaktion von Xwebûn mitteilte. Weitergeleitet sei die Gerichtsentscheidung an das Blatt aber nicht, die Macher:innen hätten nur durch Zufall davon erfahren. Eine Begründung für die Sperrung liege demnach ebenfalls nicht vor. Xwebûn hat seine Ersatzseite https://xwebun.org aktiviert und will am Montag Einspruch gegen die Entscheidung einlegen. Die Zeitungs-Aktivitäten in den sozialen Medien sind derweil nicht von der Sperre betroffen.
Die türkische Justiz sperrt nicht zum ersten Mal die Webseite der Zeitung Xwebûn. In der Vergangenheit ergangene Entscheidungen hatten die Gerichte mit vermeintlicher Terrorpropaganda begründet und sich auf den Schutz des öffentlichen Lebens sowie der nationalen Sicherheit berufen. Grundlage ist das umstrittene Gesetz Nummer 5651 für Internetüberwachung und Netzsperren. Die Regelung trat 2007 mit dem vorgegebenen Ziel in Kraft, die Persönlichkeitsrechte zu schützen. Tatsächlich ermöglicht das Gesetz den Behörden eine weitgehende Zensur des Internets: Webseiten können mit, aber auch ohne gerichtliche Anordnung gesperrt werden. Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verletzt Gesetz Nr. 5651 den Artikel 10 der Menschenrechtskonvention, der das Recht auf Meinungsfreiheit regelt. Für die Regierung von Recep Tayyip Erdogan stellt dies kein Hindernis dar, es anzuwenden und sogar zu verschärfen.
Seit Gründung im Fokus der Repression: Xwebûn
„Xwebûn“, was so viel wie Selbstsein bedeutet, wird seit Dezember 2019 von einer Gruppe Journalist:innen, Autor:innen und Sprachpfleger:innen als überregionale kurdische Zeitung herausgegeben. Die wöchentlich im Zeitungsformat in den kurdischen Dialekten Kurmancî und Kirmanckî (Zazakî) erscheinende Zeitung hat einen Umfang von zwölf Seiten. An dem in Amed (tr. Diyarbakır) ansässigen Projekt sind Mitwirkende aus allen Teilen Kurdistans, aber auch aus Kasachstan, Armenien, dem Libanon und aus europäischen Ländern beteiligt. Ihr Anliegen ist es, sich für den Erhalt und die Vielfalt der kurdischen Sprache, ihre Literatur und Geschichte stark zu machen.
Festnahmen, juristische Schikane, Gefängnis
Das dürfte auch der Grund sein, warum sich die Zeitung und ihre Belegschaft im permanenten Fokus der türkischen Repressionsbehörden befinden. Neben mehreren Webseiten-Sperren, die Xwebûn bereits erdulden musste, sind in der Vergangenheit auch ganze Ausgaben von der Polizei beschlagnahmt worden. Darüber hinaus wurden zahlreiche Angestellte der Zeitung, darunter Korrespondent:innen und Redakteur:innen, aber auch der Konzessionär mit politisch motivierten „Terror“-Verfahren überzogen worden. Einige von ihnen saßen aufgrund bereits abgeschlossener und weiter anhängiger Prozesse bereits mehrere Monate im Gefängnis.