Türkei: Über 60 Medienschaffende im Gefängnis
Die Türkei bleibt weltweit das größte Gefängnis für Journalistinnen und Journalisten. Mindestens 63 Medienschaffende sitzen nach Angaben der Organisation Dicle-Firat derzeit hinter Gittern.
Die Türkei bleibt weltweit das größte Gefängnis für Journalistinnen und Journalisten. Mindestens 63 Medienschaffende sitzen nach Angaben der Organisation Dicle-Firat derzeit hinter Gittern.
Die Türkei bleibt weltweit das größte Gefängnis für Medienschaffende. Darauf macht der im nordkurdischen Amed (tr. Diyarbakır) angesiedelte Journalistenverein Dicle-Firat (DFG) in einem monatlichen Bericht über die Rechtsverletzungen im Bereich der Pressefreiheit in der Türkei aufmerksam. Die Organisation beziffert die Zahl der aktuell hinter Gittern sitzenden Medientätigen mit 63. Das ist zwar ein deutlicher Rückgang zum Rekordstand von 170 im Jahr 2017, allerdings sind dutzende weitere im Journalismus Tätige gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt.
Allein im März wurden dreizehn Mitarbeitende von Medien zu Gefängnisstrafen in Höhe von insgesamt 32 Jahren verurteilt. „Dies ist ein besonders drastisches Zeichen der Rechtlosigkeit in der Türkei“ resümiert DFG. Gegen sechzig Journalist:innen seien Prozesse weiterhin anhängig, in sechs Fällen wurden die Klagen im Vormonat zugelassen. Unter der Rubrik „Verletzung des Rechts auf Leben, Freiheit und Sicherheit“ listet DFG vier gewaltsame Übergriffe auf Medienschaffende durch Sicherheitskräfte, drei Razzien und sechs Festnahmen auf. In fünfzehn dokumentierten Fällen seien die Kolleginnen und Kollegen von der Polizei systematisch an der Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit gehindert worden. Dieses Vorgehen betraf den Angaben zufolge die Berichterstattung über Kundgebungen und weitere Veranstaltungen im öffentlichen Raum.
Besonders besorgt zeigt sich DFG über Sperrungen oppositioneller Webseiten. Mindestens sechs Portale wurden nach Angaben des Vereins im März blockiert. Die Sperrungen wurden nach entsprechenden Gerichtsentscheidungen durch die Telekommunikationsbehörde umgesetzt. Zur Begründung wird in der Regel auf den „Erhalt der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung“ verwiesen, allerdings ohne Details zu nennen. Die Erfahrung zeigt, dass solche Maßnahmen oft auf Anfragen der Polizei oder der paramilitärischen Gendarmerie und meist aus politischen Gründen erfolgen. Die gesperrten Seiten gehören meistens in einen kurdischen oder linken Kontext. Erst gestern war die Internetpräsenz von JinNews blockiert worden. Seit der Gründung im Jahr 2017 wurden bereits mehr als vierzig Webseiten der feministischen Frauennachrichtenagentur von den türkischen Behörden gesperrt.
Doch auch einzelne Nachrichtenbeiträge werden kontinuierlich gesperrt. Denn hierzu brauchen Behörden und Ministerien keinen Gerichtsbeschluss. Grundlage ist das umstrittene Internetgesetz 5651, das sich in den letzten Jahren als ein inflationär benutztes Mittel zur Ausschaltung jeglichem politischen Dissens erwiesen hat. Die Organisation DFG hält dazu fest: „Ein System, das die Äußerung von Gedanken fürchtet, die Meinungsfreiheit verbietet, Medienschaffende faktisch arbeitsunfähig macht und die unabhängige Berichterstattung ins Visier nimmt, ist willkürlich, gefährlich und kann einer Gesellschaft nicht von Nutzen sein. Jede Maßnahme zur Unterbindung der Arbeit von im Journalismus tätigen Personen und Medieneinrichtungen stellt einen Schlag gegen das Recht auf Information der Öffentlichkeit dar.“ Die Organisation ruft das Regime in Ankara auf, von ihrem aggressiven Kurs gegen die freie und unabhängige Presse abzukommen und Gesetze auf den Weg zu bringen, die den Schutz von Medienschaffenden, die Meinungs- und Gedankenfreiheit und die Pressefreiheit gewährleisten.