Schwedischer Journalist in der Türkei inhaftiert

Der schwedische Journalist Joakim Medin wurde in der Türkei verhaftet. Er soll Erdoğan beleidigt haben und Mitglied der PKK sein. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit einem Protest Kurdistan-solidarischer Gruppen gegen den NATO-Beitritt Schwedens.

Joakim Medin

Ein bei seiner Ankunft in der Türkei festgenommener schwedischer Journalist ist in Untersuchungshaft genommen worden. Das bestätigte der Chefredakteur der schwedischen Zeitung „Dagens ETC“, für die der Journalist Joakim Medin in die Türkei gereist war, am Freitagabend gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Wir wurden nicht über die Anschuldigungen gegen ihn informiert“, sagte Chefredakteur Andreas Gustavsson.

Medin war am Donnerstag in die Türkei gereist, um über die Massenproteste gegen die Regierung von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan zu berichten. Er wurde bei seiner Ankunft in Istanbul festgenommen. Der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge wird dem 40-Jährigen vorgeworfen, Erdoğan „beleidigt“ zu haben und Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein.

Die Anschuldigungen gegen Medin stehen im Zusammenhang mit einer Protestaktion im Januar 2023 in Stockholm. Aktive der schwedischen Kurdistan-Solidarität hatten damals unter dem Motto „Nein zur NATO – Kein Bündnis mit Faschisten“ mit einer an den Füßen aufgehängten Erdoğan-Puppe in der Nähe des Stockholmer Rathauses gegen den Beitritt Schwedens in die NATO protestiert.

Medin berichtete in Kobanê vom Kampf gegen IS

Die Generalstaatsanwaltschaft Ankara leitete daraufhin Ermittlungen ein und machte eigenen Angaben zufolge „15 Verdächtige“ aus, „die den Protest organisiert, durchgeführt oder medial sichtbar gemacht“ hätten. Joakim Medin sei einer von ihnen, heißt es. Die Behörde stützt ihre Vorwürfe zudem auf vermeintliche Reisen des Journalisten ins Qendîl-Gebirge, wo die PKK ihr Hauptquartier betreibt, sowie nach Nordsyrien beziehungsweise Rojava. Dort habe er sich in Gebieten aufgehalten, in denen es zu „Kampfhandlungen“ gekommen sei. Tatsächlich hatte Medin den Kampf der YPG und YPJ gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Kobanê beobachtet und war zeitweise sogar in einem Gefängnis des Baath-Regimes inhaftiert.

Festnahmen und Ausweisungen

Die türkischen Behörden gehen seit einigen Tagen verstärkt gegen Medien vor, die über die Proteste in dem Land berichten. Am Montag waren in Istanbul und Izmir mehrere Journalist:innen festgenommen und vorübergehend inhaftiert worden, darunter ein Fotograf von AFP. Sie sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Türkei wies zudem den Korrespondenten des britischen Senders BBC, Mark Lowen, aus. Am Freitag wurden zwei linke türkische Journalistinnen in Istanbul festgenommen.

Ausgelöst wurde die Protestwelle durch die Festnahme des CHP-Politikers Ekrem Imamoğlu. Der inzwischen verhaftete und von seinem Amt abgesetzte Oberbürgermeister von Istanbul gilt als aussichtsreichster politische Rivale von Erdoğan. Er sitzt in der berüchtigten Strafvollzugsanstalt Nummer 9 auf dem Gefängniskomplex Marmara im westlich von Istanbul gelegenen Silivri ein. Oppositionelle beschreiben „Silivri Nr. 9“ als Internierungslager, weil dort hauptsächlich Kritikerinnen und Kritiker von Erdoğan eingesperrt werden.

Nach Angaben des Innenministeriums vom Donnerstag wurden seit Beginn der Massenproteste mehr als 1.800 Menschen festgenommen und über 260 inhaftiert. Auch für heute rief Imamoğlus Partei CHP zu einer Großkundgebung in Istanbul auf. Die Demonstration soll im Stadtteil Maltepe auf der asiatischen Seite der Millionenstadt stattfinden.