Prozess gegen Journalistin Sabiha Temizkan fortgesetzt

In Istanbul ist der Prozess gegen Sabiha Temizkan fortgesetzt worden. Die Anklage wirft der kurdischen Journalistin Verbreitung von „Terrorpropaganda“ vor, Grundlage ist ein Twitter-Beitrag aus dem Jahr 2014 zum IS-Angriff auf Mexmûr.

In Istanbul ist am Dienstag der Prozess gegen die Journalistin Sabiha Temizkan fortgesetzt worden. Der 38-jährigen Kurdin wird im Zusammenhang mit einem Beitrag im Kurznachrichtendienst Twitter Verbreitung von „Terrorpropaganda“ vorgeworfen. Grundlage der Anklage ist ein Eintrag aus dem Jahr 2014 zum Angriff der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) auf das Flüchtlingslager Mexmûr in Südkurdistan. Temizkan twitterte damals lediglich: „Das Mexmûr-Camp ist in den Händen des IS“.

Bei der heutigen Verhandlung wies Temizkan die Anschuldigungen gegen sie zurück und erklärte, lediglich eine Meldung zu einem Vorfall geteilt zu haben. Ihr Verteidiger, der Rechtsanwalt Veysel Ok, gab an, dass seine Mandantin keine Straftat begangen habe, und forderte ihren Freispruch.

Die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft besteht allerdings auf eine Verurteilung nach dem sogenannten Terrorbekämpfungsgesetz Nr. 3713. Zur Begründung äußerte der Anklagevertreter, dass auf Temizkans Account eindeutig „kriminelle Inhalte” festgestellt worden seien. Das Gericht vertagte die Verhandlung auf den 15. Oktober, um beiden Seiten mehr Vorbereitungszeit einzuräumen. Sollte Temizkan verurteilt werden, drohen ihr bis zu siebeneinhalb Jahre Haft. Bei vermeintlicher Terrorpropaganda sieht das Gesetz eine Haftstrafe zwischen einem und fünf Jahren vor. Wird die „Straftat“ auf Online-Plattformen begangen, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, kann das Strafmaß bis um die Hälfte erhöht werden.

Nicht das erste Mal im Visier der türkischen Justiz

Bereits im Februar hatte die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft gegen Temizkan ermittelt. Auch hier wurden Beiträge in den sozialen Netzwerken herangezogen, die allerdings als „Volksverhetzung“ ausgelegt wurden. Bei der Vernehmung wurde die Journalistin außerdem zu einem Interview befragt, das sie für die pro-kurdische Zeitung Yeni Yaşam mit der ehemaligen HDP-Abgeordneten Leyla Güven führte, die zu dem Zeitpunkt im Hungerstreik war und Mutter der Journalistin ist. Temizkan erklärte damals, die Anklageschrift gegen sie entbehre nicht nur jeglicher Rechtsgrundlage, sondern diene dazu, ihren Beruf zu kriminalisieren und ihre Kolleg*innen einzuschüchtern.

Türkei – größtes Gefängnis für Journalisten

Die Türkei gehört weltweit zu den repressivsten Staaten gegenüber Medienschaffenden. Der in Amed ansässige Journalistenverein Tigris-Euphrat (Dicle Fırat Gazeteciler Derneği, kurz: DFG) wies jüngst in seinem monatlichen Bericht zum Zustand der Pressefreiheit in der Türkei darauf hin, dass sich mit Stand vom 4. September 95 Medienschaffende in türkischen Gefängnissen befinden.