Der Journalist Nedim Türfent hat sich im Hochsicherheitsgefängnis Van dem Hungerstreik gegen die Isolation von Abdullah Öcalan und die zerstörerischen Haftbedingungen der politischen Gefangenen angeschlossen. Er gehört damit zur 26. Gruppe der Gefangenen, die seit dem 27. November 2020 für jeweils fünf am Hungerstreik teilnehmen.
Über Familienangehörige teilte Türfent mit: „Das Justizministerium betrachtet die Pandemie als ein Geschenk Allahs und hat die seit langen Jahren auf Imrali praktizierte Isolation auf alle anderen Gefängnisse ausgeweitet. Während alle unsere Rechte ausgesetzt sind, trete auch ich heute in einen fünftägigen Hungerstreik, um eine Stimme gegen die Isolation zu sein. Die Beendigung der Isolation würde uns allen Luft zum Atmen verschaffen.“
Seit fünf Jahren wegen Falschaussagen unter Folter im Gefängnis
Der Journalist Nedim Türfent ist seit Mai 2016 im Gefängnis, davon etwa zwei Jahre in Isolationshaft. Ende 2017 wurde er wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ und „Terrorpropaganda“ zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die Vorwürfe, die in der erst dreizehn Monate nach seiner Verhaftung erstellten Anklageschrift gegen ihn erhoben wurden, verweisen auf Beiträge in Online-Netzwerken, seine journalistischen Tätigkeiten - laut dem Gericht hatte Türfent „Nachrichtenbeiträge durch übertriebene und verstörende Kommentare überspitzt dargestellt“ - und insgesamt 20 anonymisierte Zeugenaussagen. In dem Gerichtsverfahren gaben 19 von 20 Zeugen an, unter Folter gegen Türfent ausgesagt zu haben. Der zuständige Staatsanwalt sah in Türfents journalistischen Tätigkeiten und seinen Artikeln ausreichend Beweise, um eine Haftstrafe von über 22 Jahren zu fordern.
Grund für Inhaftierung: „Jetzt werdet ihr die Macht der Türken spüren!“
Kurz vor der Festnahme von Türfent, der für die inzwischen per Notstandsdekret verbotene kurdische Nachrichtenagentur DIHA (Dicle Haber Ajansı) arbeitete, hatte ein Video aus der nordkurdischen Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) international für Aufsehen gesorgt. Die Szenen zeigten eine Sondereinheit der türkischen Polizei, die 50 kurdische Bauarbeiter in Handschellen legt und sie dazu zwingt, sich auf den Boden zu legen. Es fielen die Sätze: „Jetzt werdet ihr die Macht der Türken spüren! Ich kenne jetzt eure Gesichter. Wer uns betrügt, muss mit den Konsequenzen rechnen. Was hat euch dieser Staat angetan? Jetzt werdet ihr die Macht der Türken zu spüren bekommen.“
Fall vor EGMR in Straßburg anhängig
Nedim Türfent war der erste Journalist, der über den Vorfall berichtete. Nachdem DIHA den Nachrichtenbeitrag unter dem Titel „Jetzt werdet ihr die Macht der Türken spüren“ veröffentlicht hatte, bekam er Todesdrohungen von Mitglieder des JITEM, dem informellen Geheimdienst der türkischen Militärpolizei.
Das Gerichtsverfahren gegen Türfent verlief für türkische Verhältnisse recht zügig und glich einem Schauprozess. Die erste Anhörung fand im Juni 2017 statt. Ihm wurde insgesamt sieben Mal das Recht verweigert, persönlich vor Gericht zu erscheinen. Stattdessen musste er über das Videokonferenzsystem SEGBIS aussagen.
Am 15. Dezember 2017 wurde Türfent zunächst zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Später wurde die Haftdauer dann noch wegen des „Fortbestands der Tatbestände“ auf acht Jahre und neun Monate verlängert. Ein regionales Berufungsgericht bestätigte das Urteil im Juni 2018, das Oberste Kassationsgericht im Oktober 2019. Sein Fall ist nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig.