Mehr als 90 Medienschaffende, Verlage und Buchhandlungen haben anlässlich der Leipziger Buchmesse eine Solidaritätserklärung für den Mezopotamien Verlag abgegeben. Das Neusser Verlagshaus und der benachbarte Musikvertrieb MIR – beides Unternehmen, die auf die Verlegung und den Vertrieb von kurdischer Literatur und kurdischer Musik spezialisiert waren, wurden im Februar aufgrund einer Verfügung des Bundesinnenministeriums als angebliche Teilorganisationen der PKK verboten. Mit der Verfügung wurden beide Verlage aufgelöst, die gesamte Einrichtung und das vollständige Medienlager, sowie das gemietete Gebäude und das Grundstück wurden beschlagnahmt und in das Eigentum des Innenministeriums überführt.
Die Unterzeichner*innen der Erklärung sprechen deshalb von politischer Zensur und fordern die Aufhebung des Verbots beider Medienhäuser. Christoph Links, Sprecher der IG Meinungsfreiheit im Börsenverein des Deutschen Buchhandels, erklärt zum Vorgehen des Bundesinnenministeriums: „Hier handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in die Meinungs- und Publikationsfreiheit in Deutschland, was nicht einfach hingenommen werden kann.“
Schon im März 2018 hatte die Polizei beide Verlage gestürmt und drei Tage lang durchsucht. Dabei waren bereits acht Lastwagenladungen von Büchern und Musik-CDs beschlagnahmt und damit dem Handel und Lese- und Hörpublikum entzogen worden. Seinerzeit wurde die Hausdurchsuchung mit dem Verdacht begründet, dass die beiden Kleinverlage mit „ihrer gesamten Geschäftstätigkeit“ die verbotene PKK unterstützten.
Gegen politische Zensur und die Einschränkung der Meinungsvielfalt
„Die Verbotsverfügung vom 12. Februar 2019 unterstellt andererseits, dass der Mezopotamien Verlag in Gänze eine Unterorganisation der PKK sei und von dieser finanziert werde, da er selbst schließlich defizitär arbeite. Man kann sich also nicht im Geringsten vorstellen, dass die kurdische Freiheitsbewegung auch unabhängig von der PKK in Deutschland medial aktiv sein könnte. Ganz einfach alles PKK, also alles verboten“, heißt es in der Solidaritätserklärung.
Weiter erklären die Unterzeichnenden: „Bereits im letzten Jahr kritisierte das PEN-Zentrum Deutschland das »rabiate Vorgehen« und äußerte den naheliegenden Verdacht, dass «das Verfahren im Interesse der türkischen Regierung angestoßen wurde.« Die Repression im vergangenen Jahr gegen die beiden kurdischen Medienhäuser fand nur wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in der Türkei statt, was einen solchen Verdacht natürlich nahelegte. Weiter heißt es in der Stellungnahme des PEN-Zentrums: «Die Meinungs- und Publikationsfreiheit ist unabdingbare Grundlage unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft in Deutschland und verträgt nicht die geringsten Verdachtsmomente der Einschränkung.«
Das aktuelle Verbot der beiden kurdischen Medienhäuser liegt wiederum nur wenige Wochen vor den für Erdogan so wichtigen Kommunalwahlen, die am 31. März stattfanden. Auch hier liegt ein Zusammenhang auf der Hand. Die oppositionellen kurdischen Stimmen in Deutschland sollen zum Verstummen gebracht werden. Erdogan hat das im vergangenen Jahr mehrfach öffentlichkeitswirksam von der Bundesregierung gefordert. So spielen neben den eigenen Interessen im Zusammenhang mit diesem Verbot auch die der türkischen Regierung eine Rolle.
Wir erklären uns solidarisch mit den von der Hausdurchsuchung und dem Verbot betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Der Mezopotamien Verlag veröffentlicht in verschiedenen Sprachen Literatur zur kurdischen Geschichte, zur kurdischen Sprache und auch zahlreiche Schriften zu Idee und Praxis des demokratischen Konföderalismus. Darüber hinaus Romane, Kinder- und Jugendbücher, Gedichtsammlungen, Wörterbücher und Lehrbücher.
Keines dieser Bücher ist auch nur ansatzweise in der Vergangenheit straf- oder zivilrechtlich beanstandet oder gar verboten worden. Auch heute richtet sich das Verbot des Verlages nicht gegen die veröffentlichten Medien und dennoch sind sie tonnenweise beschlagnahmt worden. Das ist politische Zensur »durch die Hintertür«. Es ist offensichtlich, dass juristisch nicht zu beanstandende Bücher, Broschüren und CDs aus politischen Erwägungen mit einem vereinsrechtlichen Konstrukt aus dem Verkehr geschafft und der kritischen Öffentlichkeit vorenthalten werden sollen. Das ist ein nicht hinnehmbar Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Presse- und Publikationsfreiheit.
Wir als Medienschaffende im deutschsprachigen Verlags- und Buchhandel fordern also folgerichtig die Aufhebung der Verbotsverfügung und selbstverständlich die Rückgabe aller beschlagnahmten Medien.
Wir fordern, die demokratischen Grundrechte der Versammlungs-, Meinungs-, Presse- und Publikationsfreiheit in Deutschland unabhängig von politischen Interessen als ganz besonders schützenswerte Grundwerte zu wahren.“
Unterzeichnende:
3D-Präsentation Thomas Gutzeit Multimedia, Düsseldorf
agimos verlag
Alibri Verlag
Altstadtbuchhandlung Bonn, Hartmut Löschcke
Angela Klein, Redaktion der Sozialistischen Zeitung (SoZ)
Anke Ahle, Antiquariat Peter Ibbetson, Engelskirchen
Antiquariat & Auktionshaus Wolfgang Huste
Antiquariat Jürgen Noffz, Oldenburg
Antiquariat Lenzen, Düsseldorf
Antiquariat Matthias Wagner, Berlin
Antiquariat Mayrhans, Tübingen
antiquariat peter petrej, zürich
Antiquariat Walter Markov, Bonn
Argument Verlag mit Ariadne, Hamburg
Basisdruck Verlag
black mosquito, Flensburg
Buchhandlung BiBaBuZe, Düsseldorf
Buchhandlung el libro, Leipzig
Buchhandlung Nievergelt, Zürich
Buchladen Le Sabot, Bonn
Buchladen oh*21, Berlin
Buchladen Rote Straße, Göttingen
Buchladen ZAPATA, Kiel
Buchladen zur schwankenden Weltkugel
Clemens Paulusch, Antiquariat C. Paulusch GmbH, Berlin
D. Thursch, abooks.de
Dagmar Enkelmann, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Der Ziegelbrenner Medienversand, Gerald Grüneklee
Dieter Bertz, Verleger, Katrin Fischer, Verlegerin. Bertz + Fischer Verlag Berlin
Dieter Eckert, Antiquariat D. Eckert, Bremen
Edition 8, Zürich
edition assemblage
Edition ITP-Kompass, Münster
Edition Orient, Berlin
Florian Franze, Leipzig
Gerd-Rüdiger Stephan, Karl Dietz Verlag
Golden Shop Bremen
Guten Morgen Buchladen, Braunschweig
Ilona Tarter, Antiquariat Tarter, Thannhausen
Imre Török, Verband Deutscher Schriftsteller und Schriftstellerinnen
International Initiative Edition
Joachim Gester, Verlag Die Buchmacherei
Jörn Schütrumpf, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Jochen Mende, Prolit Verlagsauslieferung GmbH
Jürgen Fischer, München
JUMP UP Schallplattenversand, Bremen
Jürgen Repschläger, kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion Bonn
Karl-Heinz Dellwo, LAIKA-Verlag, Hamburg
Kelifer - antiquarischer Buchversand in Flensburg
Leander Sukov, Schriftsteller, Aktionist in der Kunstbande
Leo Mayer, Redaktion www.kommunisten.de
Lisette Buchholz persona verlag
Lou Marin, Buchverlag Graswurzelrevolution
Mandelbaum Verlag, Wien
Marta Press, Hamburg
Martin Bauer, bahoe books
Matthias Naumann, Neofelis Verlag Berlin
Michael Jahn, Antiquariat KaraJahn, Berlin
mox & maritz Verlag Stefan Ehlert
Neuer ISP Verlag
Offizin Verlag, Hannover
PapyRossa Verlag, Köln
Peter Streiff, Contraste-Redaktion, Redaktion Stuttgart
Pop Verlag, Ludwigsburg
Prof. Dr. Ludwig Elm, Jena
Promedia Verlag, Wien
Querverlag, Berlin
R. Genge, Verlag Neues Deutschland, Berlin
Redaktion der Avanti O., Oberhausen
Redaktion RotFuchs, Dr. Arnold Schölzel
Reinhard Denecke, Antiquariat Rabenschwarz, Braunschweig
Reiseantiquariat Kuhlmann
René Arnsburg, Manifest Verlag
René Arnsburg, Mitglied im Landesbezirksfachbereichsvorstand Medien, Kunst und Industrie, Berlin-Brandenburg ver.di
Robert Tetzlaff und Monika Lange-Tetzlaff, Buch & Plakat, Stuttgart
Rote Hilfe e.V. Literaturvertrieb
Rotes Antiquariat, Berlin
Sebastian Puschner, Wochenzeitung der Freitag
SOVA Sozialistische Verlagsauslieferung GmbH, Maintal
Stefan Huth, Chefredakteur junge welt
Strips & Stories, Hamburg
Trotz alledem!
UnderDog Verlag, Hamburg
Unrast Verlagskollektiv, Münster
Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller
Verlag Neuer Weg, Essen
Versandantiquariat Pia Oberacker-Pilick
Versandbuchhandlung Che & Chandler
Volker Schliwa, Antiquarius, Bonn
VSA: Verlag, Hamburg
*Foto: René Loch | Leipziger Internetzeitung