Kurdische Musiker lassen sich von Seehofer nicht stoppen

Bundesinnenminister Seehofer hat den Musikvertrieb MIR Multimedia und den Mezopotamien-Verlag verboten. Kurdische Musikerinnen und Musiker erklären dazu: „Wer die Lieder einer Nation macht, ist stärker als der, der die Gesetze macht.“

In Deutschland lebende kurdische Musikerinnen und Musiker sind von dem Verbot des Musikvertriebs MIR Multimedia auf besondere Weise betroffen. Die in Neuss ansässige Firma ist am vergangenen Dienstag zeitgleich mit dem benachbarten Verlag Mezopotamien durchsucht und verboten worden. Sämtliches Inventar wurde auf Weisung von Bundesinnenminister Horst Seehofer beschlagnahmt. Gegenüber der Tageszeitung Yeni Özgür Politika haben sich kurdische Musikerinnen und Musiker zu dem Vorgehen geäußert.

Cevat Merwanî: Repression kann uns nicht aufhalten

Cevat Merwanî erinnert daran, dass bereits im vergangenen Jahr Razzien in den beiden Kultureinrichtungen stattgefunden haben und das gesamte Material beschlagnahmt wurde: „Nun hat zum zweiten Mal ein rechtswidriger Angriff gegen uns stattgefunden. Die Vorgehensweise erinnert stark an die tausende Kilometer entfernte Repression durch die türkische Polizei. Wir arbeiten daran, unsere Kultur, unsere Musik mit ihrer 5.000-jährigen Geschichte und unsere Traditionen zu beleben. Jetzt sind unsere Einrichtungen geschlossen worden, aber wir werden einen neuen Ort finden. Die Repression kann uns nicht daran hindern, unsere Kultur und unsere Traditionen am Leben zu erhalten.“

Deniz Deman: Gemeinsam kämpfen

Die Musikerin Deniz Deman erklärt: „Der deutsche Staat vertieft seine Beziehungen mit dem faschistischen Erdoğan-Regime immer weiter. Um Erdoğan zufrieden zu stellen, setzt der deutsche Staat auf eine Verbotspolitik und zeigt damit seine Unterstützung für die völkermörderische Politik der Türkei. Wir verurteilen diese Angriffe auf unsere Kultureinrichtungen aufs Schärfste und rufen alle Künstlerinnen und Künstlerinnen, alle demokratischen Menschen auf, gemeinsam gegen diese Verbotsmentalität zu kämpfen.“

Farqîn Azad: Jedes kurdische Haus ist wie eine Kultureinrichtung

Farqîn Azad sieht seit 1993 eine kontinuierliche Repression gegen kurdische Einrichtungen in Deutschland: „Bei allen Verhandlungen mit der Türkei benutzt die Bundesregierung die kurdischen Einrichtungen als Trumpf in der Hand. Kurdische Organisationen und Institutionen werden verboten, kurdische Politiker ins Gefängnis gesteckt. Während die Kurden im Mittleren Osten für die gesamte Menschheit gegen den IS kämpfen, wird ihnen in der Bundesrepublik ein Dolchstoß in den Rücken verpasst. Wer jedoch glaubt, die Entwicklung kurdischer Kultur und Kunst durch Verbote verhindern zu können, der irrt sich. Für die Kurdinnen und Kurden sind ihre eigenen Wohnungen wie Kultur- und Kunsteinrichtungen, sie sprechen ihre Sprache und leben ihre Kultur. Deutschland muss mit der antikurdischen Repression aufhören.“

Kawa: Widerstand geht ohne Unterbrechung weiter

Der Sänger Kawa betont: „Von uns kann keiner erwarten, dass wir hierzu schweigen. Wir fordern unsere Rechte ein, wir fordern Freiheit für unser Volk. Die Menschen in allen Teilen Kurdistans fordern ihre Rechte ein. Die Repression kann uns nicht einschüchtern.“

Xemgin Birhat: Schande für Deutschland

Xemgin Birhat ist seit vier Jahren in der Leitung von MIR Multimedia. Zu den Hintergründen der Angriffe auf kurdische Einrichtungen befragt, erklärt der Musiker: „Meiner Meinung nach ist stehen die geheimen Beziehungen zwischen der Merkel-Regierung und Erdoğan dahinter. Die Kurden werden immer wieder auf eine ethisch nicht vertretbare Weise den Beziehungen zur Türkei geopfert. Künstler zum Schweigen zu bringen, Bücher oder Verlage zu verbieten, ist eine Praxis aus der Nazizeit. Obwohl Deutschland von dieser Schande geprägt ist, werden nun dieselben Methoden gegen die Kurdinnen und Kurden angewandt. Aber was auch immer kommen mag, das kurdische Volk wird nicht schweigen und seinen Weg weitergehen.“

Idris Bagok: Ich bin voller Wut

Auch Idris Bagok ist wütend. „Deutschland begeht den Kurden gegenüber Unrecht. Das werden die Kurden nicht vergessen“, sagt der Musiker. „Hat denn Deutschland nichts aus seiner Geschichte gelernt? Erst gestern haben sie Bücher verbrannt, Musik verboten und Völker massakriert. Reicht diese Schande dem deutschen Staat nicht? Ich verurteile dieses Vorgehen nicht, ich verfluche es. Ich bin voller Wut.“

Ozan Reber: Für die kurdischen Einrichtungen eintreten

Für Ozan Reber ist der Zusammenhang zwischen der antikurdischen Repression in der Bundesrepublik und den türkisch-deutschen Deals unverkennbar: „Wann immer die Regierungen sich treffen, wird entweder ein kurdischer Verein durchsucht, ein Kurde inhaftiert oder ein Verfahren gegen kurdische Einrichtungen eingeleitet. Und was ergibt sich daraus? Sind die Kurden aus Deutschland verschwunden? Sind sie auch nur einen Millimeter in ihrem Freiheitskampf zurückgewichen? Die Kurdinnen und Kurden müssen sich hinter ihre Einrichtungen stellen und für ihren Freiheitskampf, ihre Künstler, ihre Einrichtungen, ihre Politikerinnen und Politiker eintreten.“

Serhat Çarnewa: Wer Lieder schreibt, ist stärker

Der Musiker Serhat Çarnewa lebt seit 1996 in Deutschland. „Selbst zur schlimmsten Zeit hat es einen solchen Angriff gegen kurdische Kultureinrichtungen nicht gegeben. Wir leben in einer Zeit, in der dem kurdischen Volk überall keine andere Wahl als Widerstand geblieben ist. Diejenigen, welche die Lieber dieser Nation machen, sind stärker als diejenigen, die die Gesetze machen. Wir werden auf die Verbotspolitik reagieren, indem wir noch produktiver sein werden.“