Verbotskarussell dreht sich weiter
Pressemitteilung des Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland – Azadî zum Verbot des Mezopotamien-Verlags und der MIR Multimedia GmbH.
Pressemitteilung des Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland – Azadî zum Verbot des Mezopotamien-Verlags und der MIR Multimedia GmbH.
„Entgegen der Darstellung des BMI ist die Schließung von Verlagen und Musikvertrieben keine Terrorbekämpfung, sondern schlicht und einfach Zensur“, schreibt der Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland Azadî in einer Pressemitteilung zum Verbot des Mezopotamien-Verlags und des kurdischen Musikvertriebs MIR Multimedia, dass gestern vom Bundesinnenminister Seehofer erlassen wurde. „Kritisch sehen wir das vor allem in einem Land, in dem öffentliche Bücherverbrennungen stattfanden und der Staat bestimmte, was als ‚entartete Kunst‘ zu gelten hatte.“
Weiter heißt es in der Pressemitteilung von Azadî:
„Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erließ gestern ein Verbot gegen den kurdischen ‚Mezopotamien-Verlag‘ und den kurdischen Musikvertrieb ‚MIR Multimedia GmbH‘.
Bereits am 8. März des vergangenen Jahres hatte es im Verlagshaus des Mezopotamien-Verlags über zwei Tage hinweg Durchsuchungen gegeben. Damals waren tausende Bücher durch die deutschen Behörden beschlagnahmt worden.
In seiner Pressemitteilung behauptet das Bundesinnenministerium, dass der Geschäftsbetrieb beider Vereinigungen allein der Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts der PKK diene. Dies scheint bei einem Literatur- und Musikvertrieb mehr als fragwürdig. Bereits nach der Durchsuchung des Verlags am 8. März 2018 zeigten sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die SchriftstellerInnenvereinigung PEN-Zentrum Deutschland besorgt um die Kunst- und Literaturfreiheit in Deutschland und forderten vom BMI eine nachvollziehbare Begründung für das Vorgehen.
Für Azadî reiht sich das aktuelle Vorgehen der Behörden ein in die staatlichen Bemühungen vor allem der letzten zwei Jahre, der kurdischen Bevölkerung in Deutschland, die zu einem großen Teil mit der kurdischen Befreiungsbewegung sympathisiert, jegliche Artikulationsmöglichkeit und ihre politische Identität zu nehmen. So sollen per Demonstrationsauflagen sämtliche Bilder des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Auf jüngsten Demonstrationen anlässlich der Hungerstreiks zur Überwindung der Isolationshaft von Öcalan verbot die Polizei in Berlin sogar Transparente, auf denen nur sein Namen erwähnt war . Nun wird diese Hexenjagd auch auf den Kulturbereich ausgeweitet und die Bücher von Abdullah Öcalan beschlagnahmt, die unter anderem vom Mesopotamien-Verlag vertrieben werden. Entgegen der Darstellung des BMI ist die Schließung von Verlagen und Musikvertrieben keine Terrorbekämpfung, sondern schlicht und einfach Zensur.
Kritisch sehen wir das vor allem in einem Land, in dem öffentliche Bücherverbrennungen stattfanden und der Staat bestimmte, was als ‚entartete Kunst‘ zu gelten hatte. Einmal mehr nähert sich der Umgang mit der kurdischen Frage in Deutschland dem Vorgehen in der Türkei an. Eine besondere Brisanz in der Beschlagnahmung tausender Bücher und CDs mit kurdischer Musik sehen wir auch darin, dass diese Vorgehensweise in der Türkei über Jahrzehnte gängige Praxis ist. Wir wünschen uns, dass vor allem Kulturschaffende gegen die aktuelle Kriminalisierung einer kurdischen politischen Identität protestieren, die sich wie überall auf der Welt auch in Literatur und Musik äußert.
Gegen die Verbote werden die Anwälte des Mezopotamien-Verlages und des Musikvertriebs MIR Klage beim Bundesverwaltungsgericht einreichen.“