Türkische Kriegsverbrechen ahnden
Kurdische Medienverbände und Menschenrechtsgruppen in der Demokratischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) haben die Vereinten Nationen aufgefordert, sich mit den extralegalen Tötungen von Journalist:innen durch die Türkei und ihre Verbündeten zu befassen. Seit Mitte Dezember sind in der Autonomieregion bereits drei Medienschaffende bei Drohnenangriffen der türkischen Armee und ihrer Proxytruppe SNA getötet worden, neun weitere wurden verletzt, sagte die Sprecherin des Frauenmedienverbands YRJ, Arîn Siwêd, bei einer Protestveranstaltung vor dem UN-Büro in Qamişlo.
Gezielte Attacken auf Journalist:innen sind Kriegsverbrechen
„Dass Reaktionen der internationalen Gemeinschaft dennoch ausbleiben, ist ein Beispiel dafür, wie in unseren Regionen das Völkerrecht und die Menschenrechte à la carte wahrgenommen werden“, kritisierte Siwêd. Dabei sei die Rechtslage eindeutig. „Journalist:innen gezielt zu attackieren, ist nach dem humanitären Völkerrecht und dem Römischen Statut des internationalen Strafgerichtshofs ein Kriegsverbrechen.“ Siwêd forderte die UN auf, entschlossen gegen solche Übergriffe vorzugehen und eine aktivere Rolle beim Schutz der Rechte von Medienschaffenden zu spielen. Der Weltsicherheitsrat müsse „schon lange überfällige angemessene Maßnahmen“ gegen die Türkei und ihre Milizen ergreifen. Gleichzeitig appelliere die Journalistin an internationale Organisationen, Strafanzeigen gegen die politischen und militärischen Verantwortlichen der türkischen Regierung zu stellen. So könne Druck auf Ankara und ausgeübt und die Sicherheit von Journalist:innen in Syrien gewährleistet werden.
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17 Medienschaffende von Türkei ermordet
Die Kundgebung in Qamişlo folgte auf den Tod des Journalisten Egîd Roj (Şervan Seydo), der am Samstag durch einen türkischen Drohnenangriff am Tişrîn-Damm ermordet wurde. Dazu aufgerufen hatten neben dem YRJ auch der Verband freier Medien (YRA) und die Menschenrechtsorganisation Syrien. Ein Dossier, das den UN nach dem Protest überreicht wurde, enthält Einzelheiten zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu Lasten von Journalist:innen, die hauptsächlich der Türkei zugeschrieben werden. Demnach wurden seit 2014 mindestens 31 Pressevertreter:innen in verschiedenen Gebieten Nord- und Ostsyriens bei der Ausübung ihres Berufs getötet. 17 von ihnen seien „gesichert“ durch Luft- und Drohnenangriffe der türkischen Armee ermordet worden, andere im Zuge von Offensiven gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).
Erst getötet, dann als Terrorist verunglimpft
Nahezu alle von der Türkei getöteten Journalist:innen wurden von Ankara posthum als „Terroristen“ verunglimpft. So auch im Fall von Nazım Daştan und Cihan Bilgin, die am 19. Dezember bei einem gezielten Drohnenangriff südlich von Kobanê ermordet wurden. Beide Journalist:innen arbeiteten seit vielen Jahren für kurdische Medien, Daştan zuletzt für ANF und Bilgin für ANHA. Sie berichteten von der Front am Euphrat über die Angriffe der türkischen Armee und der Dschihadistenallianz SNA am Tişrîn-Damm, als ihr als Pressefahrzeug gekennzeichnetes Auto von einer Drohne getroffen wurde. Kurz vor dem Einschlag setzte Daştan noch folgenden Post auf X ab: „Entgegen den Behauptungen des Waffenstillstands bereiten die Türkei und die mit ihr verbundenen Banden einen Großangriff auf Kobanê und Rojava vor.“