Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten aus der Kurdistan-Region Irak (KRI) fordern gemeinsam mit dem Metro Center for Journalist Rights & Advocacy sowie mehr als einem Dutzend kurdischen Medienunternehmen die sofortige Freilassung von Sherwan Sherwani. In einer am Sonntag auf einer öffentlichen Pressekonferenz in Silêmanî verlesenen Erklärung zeigten sie sich solidarisch mit dem inhaftierten Journalisten und Menschenrechtsaktivisten und kritisierten seine neuerliche Verurteilung.
Sherwan Sherwani war am Donnerstag von einem Strafgericht in Hewlêr (Erbil) zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden – wegen einer angeblichen Urkundenfälschung. Grund für die Anklage war ein beim Berufungsgericht in Dihok zurückgezogener Antrag auf bedingte Entlassung mehrerer Journalisten und Aktivisten aus der Strafhaft. Sherwani soll das Dokument auch im Namen seines Kollegen Guhdar Zebari unterzeichnet haben, weil dieser in Einzelhaft war und es nicht selbst unterschreiben konnte. Obwohl Zebari im Laufe des Verfahrens immer wieder angab, Sherwani explizit die Befugnis erteilt zu haben, für ihn zu unterschreiben, wurde seine Aussage vom Gericht ignoriert.
„Der Umgang der Justiz mit Sherwan Sherwani zeigt, dass Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit in der KRI keine Toleranz erfahren. Die Region wird von einer Polizeimentalität beherrscht und ist zu einem gefährlichen Ort für freie und unabhängige Medienschaffende geworden. Wir lehnen dieses System entschieden ab und verurteilen, dass unser Kollege Sherwan Sherwani im Namen von Recht und Gesetz verfolgt wird. Journalistinnen und Journalisten dürfen nicht Opfer von Hass, Rache- und Vergeltungsaktionen werden. Wir unterstützen Sherwan Sherwani und fordern seine umgehende Freilassung“, hieß es in dem Appell, der vom Kemal Rauf vorgetragen wurde.
Der seit 2020 inhaftierte und bereits wegen „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ rechtskräftig verurteilte Journalist Sherwan Sherwani steht faktisch im Dauervisier von Justiz und Behörden, seit er Korruption in der KRI-Regierung und Menschenrechtsverletzungen an politischen Gefangenen durch den Inlandsgeheimdienst Asayîş aufgedeckt hat. Für September war seine Entlassung geplant – auf Grundlage eines Dekrets des Präsidenten der KRI, durch das die Freiheitsstrafe Sherwanis um die Hälfte reduziert worden war. Doch daraus wird mit dem Urteil vom Donnerstag erstmal nichts. Darüber hinaus ist noch mindestens ein weiteres Verfahren gegen den Journalisten anhängig – wegen des Vorwurfs der Verleumdung der Asayîş.
Initiiert und koordiniert wurde der Aufruf für Sherwan Sherwani vom Metro Center for Journalist Rights & Advocacy, einer in der KRI ansässigen NGO, die sich für die Rechte von Medienschaffenden einsetzt. Der Appell solle auch auf die Lage der Pressefreiheit allgemein in der südkurdischen Autonomieregion aufmerksam machen, die sich seit dem Amtsantritt von Premierminister Mesrûr Barzanî (PDK) im Juli 2019 drastisch verschlechtert hat. Besonders die Sicherheitsgesetze dienen häufig als Vorwand, um Journalistinnen und Journalisten zu verfolgen.