Der kurdische Journalist Zeynel Abidin Bulut ist in Amed (tr. Diyarbakir) zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Begründet wird das Urteil von fast einem Jahr Gefängnis mit vermeintlicher Propaganda für eine Terrororganisation. Bulut, der zum Vorstand des Journalistenvereins Dicle-Firat (Dicle Fırat Gazeteciler Derneği, DFG) gehört, war im Oktober wegen „Einladung zu einer Schweigeminute“ beim Totengedenken für den ehemaligen Zeitungskorrespondenten und Guerillakämpfer Mazlum Erenci (Nom de Guerre: Yılmaz Piling) angeklagt worden. Die Gedenkveranstaltung hatte Ende Juni stattgefunden und war von der Polizei überfallen worden, Bulut wurde vorübergehend festgenommen. Nach einer Befragung in der Sicherheitsabteilung des Polizeipräsidiums Diyarbakir hatten Beamte den Journalisten zur Einschüchterung über mehrere Stunden in einem Panzerwagen durch die Stadt gefahren.
Während der heutigen Verhandlung am 4. Schwurgericht in Amed wies Bulut die Anschuldigungen gegen ihn zurück und erklärte, als Journalist einem gestorbenen Kollegen die Ehre erwiesen zu haben. Sein Verteidiger Resul Tamur wies auf die Absurdität der Anklage der Generalstaatsanwaltschaft hin und erklärte, dass es keine juristische Grundlage dafür gebe, ein Totengedenken für einen verstorbenen Journalisten auf einem Friedhof zu kriminalisieren. Das Gericht sah das anders und verurteilte Bulut zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der ehemalige Korrespondent und Redakteur der per Notstandsdekret verbotenen kurdischsprachigen Zeitung Azadiya Welat (ku. Freie Heimat), Zeynel Abidin Bulut, und Mazlum Erenci kannten sich persönlich. Der Guerillakämpfer hatte vor seiner Zeit bei den Volksverteidigungskräften (HPG) als Korrespondent bei der Zeitung gearbeitet. Bei der Gedenkveranstaltung für Erenci war damals auch ein Totengebet verboten worden. Außerdem beschlagnahmten anwesende Sicherheitskräfte ein Foto von ihm, das seine Mutter Remziye Erenci am Grab aufgestellt hatte.
Synonym für minderjährige Opfer der Antiterrorgesetzgebung
Mazlum Erencis Name steht synonym für kurdische Kinder und Minderjährige, die Opfer der türkischen Antiterrorgesetzgebung wurden. Als 15-Jähriger wurde er im Juli 2008 verhaftet, weil er auf einer Demonstration gegen die staatlich verordnete Haarrasur Abdullah Öcalans Polizisten mit Steinen beworfen haben soll. Er landete in Untersuchungshaft und wurde wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“, „Terrorpropaganda“ und „Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“ zu knapp siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Aufgrund einer Gesetzesänderung konnte er das Gefängnis im April 2009 verlassen.
Nach seiner Entlassung wandte sich Mazlum Erenci an den Menschenrechtsverein IHD und schilderte die Folter, die er im Gefängnis erleiden musste. Damals fing er auch an, als Korrespondent für „Azadiya Welat“ zu arbeiten. Die staatliche Repression gegen Erenci nahm jedoch kein Ende. 2010 fasste er den Entschluss, zur Guerilla zu gehen. Am 29. Juni 2011 starb er mit 19 Jahren bei Auseinandersetzungen im Rahmen einer türkischen Militäroperation in Melkişî (Çemişgezek) in der nordkurdischen Provinz Dersim.