Seit zwei Tagen befindet sich der kurdische Journalist Aziz Oruç in Bazîd (Doğubayazıt) in der nordkurdischen Provinz Agirî (Ağrı) in Gewahrsam. Er wurde am Mittwoch im Zuge einer Operation gegen die Demokratische Partei der Völker (HDP) festgenommen. Nach Angaben seines Rechtsbeistands, der Oruç noch immer nicht besuchen konnte, wurde die Ermittlungsakte gegen den Journalisten unter Geheimhaltung gestellt. Weder ist es den Anwälten möglich in Erfahrung zu bringen, weshalb ihr Mandant festgenommen wurde, noch können Beweismittel gesichtet werden. Die regierungsnahe Presse allerdings meldete schon jetzt die Sensationsmeldung, der „Terrorist Oruç” sei gefasst worden. Der 1984 in Amed (Diyarbakir) geborene Oruç war im Jahr 2011 in der Türkei zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Damals war der Journalist noch Student an der Universität in Denizli. Um einer Verhaftung zu entgehen, setzte sich der Vater von zwei Kindern 2017 nach Südkurdistan ab, wo er ebenfalls für die freie Presse arbeitete, unter anderem für die per Notstandsdekret verbotene Nachrichtenagentur DIHA. Die türkische Justiz ermittelte aber weiterhin gegen ihn. Erst Ende November wurde er in Abwesenheit von einem Gericht in Istanbul wegen seinen Berichten in der prokurdischen Zeitung Özgürlükçü Demokrasi zu einer weiteren Haftstrafe verurteilt. Seit wann er sich wieder in Nordkurdistan aufhielt, ist unklar.

HDP-Vorsitzender wegen Terrorvorwürfen verhaftet

Abdullah Ekelek und Muhammet İkram Müftüoğlu, die ebenfalls am Mittwoch festgenommen worden waren, wurden bereits an ein Gefängnis überstellt. Die Staatsanwaltschaft wirft Ekelek, der Ko-Vorsitzender des Kreisverbands der HDP in Bazîd ist, sowie Müftüoğlu „Unterstützung für eine Terrororganisation” vor. Beide Männer befinden sich im Hochsicherheitsgefängnis in der Provinzhauptstadt Agirî.

Hälfte der HDP-Mitglieder im Gefängnis

In den letzten Wochen sind Hunderte HDP-Politiker*innen, denen mit konstruierten Beweisen die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vorgeworfen wird, festgenommen worden. Im vergangenen Monat waren es sogar 350. Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan erklärte Anfang des Monats, dass knapp die Hälfte der Parteimitglieder im Gefängnis sitzt.

Türkei: Größtes Gefängnis für Medienschaffende

Auch für Journalist*innen ist die Lage ähnlich: Nach Angaben der Initiative der freien Journalist*innen (ÖGI) befinden sich in der Türkei derzeit 139 Medienschaffende aufgrund ihrer Tätigkeit in Haft. Nach einer Zählung der Plattform der inhaftierten Journalist*innen (TGDP) sind es aktuell sogar 197 Journalist*innen, die in türkischen Gefängnissen sitzen.