Gedenken am Grab von Nûjiyan Erhan in Şengal

Vor sechs Jahren ist die kurdische Journalistin Nûjiyan Erhan von der PDK in Şengal gezielt erschossen worden. An ihrem Grab im Şengal-Gebirge haben Kolleginnen und Freundinnen an sie erinnert.

In Şengal ist der vor sechs Jahren von einem Scharfschützen der PDK („Demokratische Partei Kurdistans“) durch einen Kopfschuss getöteten Journalistin Nûjiyan Erhan gedacht worden. Die Gedenkveranstaltung des ezidischen Journalistinnenverbands Ragihandina Jinên Êzdîxanê fand auf dem Gefallenenfriedhof „Şehîd Dilgeş û Şehîd Berxwedan“ im Şengal-Gebirge statt.

Der Verband erinnerte an Nûjiyan Erhan und alle bei ihrer Arbeit getöteten Journalistinnen und erklärte: „Als die Banden des IS 2014 den brutalen Angriff auf Şengal verübten, kam unsere Freundin und Kollegin Nûjiyan hierher und berichtete mit großem Mut von den Geschehnissen. Ihr gesamtes Leben baute auf der Suche nach Wahrheit und Freiheit auf. An der Front wurde sie mit ihrer Kamera zur Stimme von Şengal und berichtete sowohl von dem Verrat als auch von dem Widerstand der ezidischen Frauen und der Freiheitskämpfer:innen.

Die PDK griff am 3. März 2017 in Zusammenarbeit mit dem türkischen Staat Xanesor an, um zu vollenden, was dem IS nicht vollständig gelungen war. Hevala Nûjiyan stellte sich als Journalistin zusammen mit dem ezidischen Volk den Angriffen entgegen. Aufgrund ihrer revolutionären Haltung wurde sie von der PDK bewusst ins Visier genommen und erlag am 22. März ihren Verletzungen.

Als Journalistinnenverband von Êzdîxan haben wir von Nûjiyan Erhan ein großes Erbe übernommen und setzen ihre Arbeit entschlossen fort. Wie unsere Weggefährtin Nûjiyan berichten wir der Weltöffentlichkeit über die Realität ezidischer Frauen.“

Nach der Rede wurden Blumen am Grab von Nûjiyan Erhan niedergelegt.

 

Nûjiyan Erhan stammte aus Riha (tr. Urfa) in Nordkurdistan und hieß mit bürgerlichem Namen Tuba Akyılmaz. Sie arbeitete seit 2005 für kurdische Medien und hielt sich ab Frühjahr 2015 in Şengal auf, um den IS-Genozid und den Widerstand dagegen zu dokumentieren. Dabei führte sie Interviews mit Überlebenden, vor allem mit ezidischen Frauen. Zudem bildete sie Ezidinnen für die journalistische Arbeit aus.

Am 3. März 2017 fiel die vom türkischen Staat und der PDK ausgebildete Truppe der „Roj-Peschmerga“ in der Ortschaft Xanesor in Şengal ein. Am Vorabend wurden Gräben in der Umgebung von Xanesor und Sinun ausgehoben. Frauen aus Şengal wollten die Gräben wieder zuschütten und wurden angegriffen. Die Verteidigungskräfte YBŞ suchten das Gespräch mit der Gegenseite, um die Lage zu evaluieren und die angespannte Situation zu beruhigen. Noch vor Abschluss des Treffens wurde ein Vormarsch mit dreißig Hummer und anderen Panzerwagen mit schweren Waffen gestartet. Ausgerüstet war die Truppe unter anderem mit Waffen und Fahrzeugen, die europäische Länder für den Kampf gegen den IS nach Südkurdistan geliefert hatten. Darunter waren auch Panzer vom Typ Dingo aus Deutschland.

Die YBŞ und die Fraueneinheiten YJŞ wurden zusammen mit den ezidischen Sicherheitskräften Asayîş in Verteidigungsposition versetzt. Die damals noch in der Region präsenten Guerillakämpfer:innen der HPG und YJA Star schlugen Verhandlungen vor, um Gefechte zu vermeiden. Zwei HPG-Kämpfer stellten sich vor einen der einrückenden Panzerwagen, um den Vormarsch zu stoppen. Sie versuchten mit ihren Händen, das Militärfahrzeug aufzuhalten. Ihre Namen waren Çekdar Sinan und Orhan Baran, beide wurden getötet. Die Journalistin Nûjiyan Erhan wurde gezielt ermordet, als sie diese Szenen mit ihrer Kamera einfing. Sie erlag am 22. März im Krankenhaus ihren Verletzungen durch einen Kopfschuss. Bei den folgenden Auseinandersetzungen kamen außerdem die TAJÊ-Aktivistin Nazê Naif und sieben YBŞ-Mitglieder ums Leben.

Die Regisseurin Asmin Jinda hat einen Dokumentarfilm über Nûjiyan Erhan gedreht. Die Erstaufführung fand im Mai 2022 in Şengal statt.