Drohnenangriff in Şengal: Journalist:innen fordern Schutz

In Şengal arbeitende Medienschaffende haben den türkischen Drohnenangriff auf ein Team der ezidischen Sender Çira TV und Çira FM verurteilt und Schutz für Journalist:innen gefordert.

Angriff auf die Pressefreiheit

Nach dem türkischen Drohnenangriff auf ein Team der ezidischen Sender Çira TV und Çira FM in Şengal haben Medienschaffende Schutz für Journalist:innen gefordert. Bei dem gezielten Angriff am Montag wurden sechs Menschen verletzt, einer davon schwer. Das Auto des Çira-Teams wurde auf der Rückfahrt aus dem südlich des Şengal-Gebirges gelegenen Dorf Tel Qeseb bombardiert. Tel Qeseb ist einer der Orte in der Region, in denen der IS im August 2014 einen Genozid und Femizid verübt hat. Die Journalist:innen waren dorthin gefahren, um mit Überlebenden Interviews für eine Sendung anlässlich des bevorstehenden Jahrestages der IS-Massaker zu führen.

Aus Şengal berichtende Korrespondent:innen und Mitarbeiter:innen verschiedener Medien gaben gestern eine Erklärung ab, in der sie den Luftangriff als unmenschlich und unmoralisch verurteilten. Es handele sich um einen Angriff auf freie Medien, der die Sicherheit von Journalist:innen bedrohe, so die Erklärung:

„Journalist:innen und Korrespondent:innen müssen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe geschützt werden. Wir fordern die zuständigen Stellen auf, für die Sicherheit von Medienschaffenden zu sorgen. Außerdem fordern wir schnelle und transparente Ermittlungen, damit die Täter sich vor der Justiz verantworten müssen und bestraft werden.

Angriffe auf Journalist:innen richten sich gegen die Meinungsfreiheit und das Recht auf Informationen, das zu den Menschenrechten gehört. Wir erklären an dieser Stelle, dass wir uns gegen jede Form von Gewalt und Terror gegen Journalist:innen positionieren. Lasst uns gemeinsam die Pressefreiheit und den Schutz von Journalist:innen auf der ganzen Welt stärken.“

Hintergrund: Drohnenterror gegen Genozid-Überlebende

Şengal (auch Sindschar oder Sinjar) ist das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der ezidischen Gemeinschaft. Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung kommt es dort seit 2017 vermehrt zu Luftschlägen durch türkische Kampfflugzeuge und Drohnen. Konkrete Ziele sind zumeist Einrichtungen der Autonomieverwaltung von Şengal, die Selbstverteidigungseinheiten YBŞ/YJŞ und Zivilpersonen. Bei den Opfern dieser Angriffe handelt es sich hauptsächlich um Überlebende des Völkermords von 2014.

Der letzte bekannte Drohnenangriff der Türkei in Şengal war Anfang April verübt worden. Damals wurde ebenfalls ein Fahrzeug attackiert, zwei Frauen wurden verletzt. Bei einem Angriff im März war Mecdel Feqîr, ein Kommandant der Widerstandseinheiten Şengals (YBŞ), ermordet. Die Killermaschine hatte nahe Til Êzêr einen Kontrollpunkt bombardiert, an dem Feqîr im Einsatz war. Er wurde 32 Jahre alt und hinterließ Frau und Sohn. Wenige Tage zuvor war in Şengal bereits der Zivilist Sadun Mirza Ali von einer türkischen Drohne getötet worden. Der Ezide war Vater von drei Kindern und arbeitete als Fahrer für das Gefallenenkomitee der Selbstverwaltung. 

Der Deutsche Bundestag hat den IS-Genozid von 2014 als Völkermord an den Ezid:innen anerkannt. Die Bundesregierung steht jedoch bei den Massakern an der kurdischen Bevölkerung, egal in welchem Teil Kurdistans, grundsätzlich, stillschweigend und praktisch auf der Seite der Türkei. So wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Ezidinnen und Eziden aus Deutschland in den Irak abgeschoben, obwohl die Ampel die Rückführungen von ezidischen Geflüchteten im vergangenen Jahr noch als „unzumutbar“ bezeichnet hatte. In einigen Bundesländern ist die Abschiebung ezidischer Frauen und Kinder vorübergehend ausgesetzt worden.