Die Repression der türkischen Justiz gegen die unabhängige Presse geht ungemindert weiter. Mindestens drei Journalist:innen wurden in den vergangenen 24 Stunden in verschiedenen Städten des Landes festgenommen. Es handelt sich um Mitglieder der Belegschaft von Medienunternehmen in der Tradition der freien kurdischen Presse.
In einem Fall steht der Vorwurf des Terrorismus im Raum. Der Betroffene: Hamdullah Bayram, Mitarbeiter der pro-kurdischen Zeitung „Yeni Yaşam“ (tr. für „Neues Leben“). Der Journalist wurde am Donnerstagabend in der südtürkischen Küstenmetropole Mersin in Gewahrsam genommen und soll noch im Laufe des Tages nach Ankara überführt werden.
Offenbar wurde Bayram als weiterer „Tatverdächtiger“ in ein von der Oberstaatsanwaltschaft Ankara geführtes Ermittlungsverfahren eingebunden. Angeklagt in dem Verfahren sind elf Mitarbeiter:innen der Nachrichtenagenturen Mezopotamya (MA) und JinNews, denen aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit die Mitgliedschaft in der PKK beziehungsweise ihrem Dachverband KCK vorgeworfen wird. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, drohen ihnen bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe.
Festnahmen wegen „falschem Presseausweis“
In der nordkurdischen Provinzhauptstadt Riha (Urfa) nahm die Polizei am Freitag die JinNews-Korrespondentin Gülistan Dursun und eine namentlich nicht bekannte Pressevertreterin fest. Beide beobachteten eine Mahnwache, die vor dem Justizpalast der Stadt durchgeführt wird. Bei den Beteiligten der Aktion handelt es sich um Emine Şenyaşar und ihren Sohn Ferit Şenyaşar. Beide kämpfen seit Jahren um Gerechtigkeit für ihre Familienmitglieder, die im Juni 2018 in der Kreisstadt Pirsûs (Suruç) von bewaffneten Bodyguards und Verwandten des AKP-Abgeordneten Ibrahim Halil Yıldız ermordet worden waren. Bei den Opfern der Lynchmorde handelt es sich um Emine Şenyaşars Ehemann Esvet und die gemeinsamen Söhne Celal und Adil.
Die Festnahmen von Dursun und ihrer Kollegin wurden damit begründet, dass die Presseausweise der Journalistinnen gefälscht seien. Nach einer Vernehmung in der Abteilung für organisierte Kriminalität und einer anschließenden ärztlichen Untersuchung in einem örtlichen Krankenhaus wurden beide wieder auf freien Fuß gesetzt. Ob weitere Ermittlungen gegen sie eingeleitet werden, ist noch unklar.
PKK-Vorwürfe gegen Bianet-Redakteur Aren Yildirim
Der kurdische Journalist Aren Yildirim, der Mittwochfrüh im Zuge einer überfallartigen Razzia in seiner Istanbuler Wohnung festgenommen worden war, wurde ebenfalls wieder freigelassen. Wie sein Rechtsanwalt Emrah Baran am Freitag mitteilte, fand die Festnahme seines Mandanten auf Grundlage eines von der Oberstaatsanwaltschaft Istanbul geführten Ermittlungsverfahrens statt. Demnach wirft die Behörde dem Journalisten vor, Mitglied der PKK zu sein.
Aren Yildirim ist seit 2019 Redakteur von Bianet Kurdî, der kurdischen Redaktion des unabhängigen Nachrichtenportals Bianet. Der Sprachwissenschaftler, Übersetzer und Journalist hat ein Wörterbuch für die kurdische Sprache Soranî und das Buch „Bo Bîyanîyan Kitêbî Fêrbûnî Kurdî“ geschrieben.
Als Beleg für die behauptete PKK-Mitgliedschaft sei bei der Vernehmung Yildirims unter anderem ein abgehörtes Telefonat mit einer Quelle des Journalisten herangezogen worden. „Mein Mandant hat die Anschuldigungen entschieden zurückgewiesen. Er musste Aussagen zu Ermittlungen über seine Berichterstattung machen, die auf Grundlage der im Grundgesetz festgeschriebenen Pressefreiheit gar nicht verfolgt werden dürfte“, sagte Baran. Auch im Fall von Yildirim ist bislang nicht bekannt, ob die Ermittlungen eingestellt werden.