In der Türkei kam es im vergangenen Jahr zweimal zu Massenfestnahmen von Journalist:innen, einmal im Juni und einmal im Oktober. Am 8. Juni wurden auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakir (ku. Amed) 20 kurdische Medienschaffende festgenommen, von denen sich 16 weiterhin ohne Anklage in Untersuchungshaft befinden. In einer zweiten Razzia am 25. Oktober wurden elf weitere kurdische Medienschaffende festgenommen, von denen derzeit noch neun im Gefängniskomplex Sincan bei Ankara sitzen.
Bei den Verhafteten des zweiten Verfahrens handelt es sich um die Chefredakteurin der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA), Diren Yurtsever, die MA-Korrespondent:innen Deniz Nazlım, Selman Güzelyüz, Berivan Altan, Hakan Yalçın, Emrullah Acar und Ceylan Şahinli sowie die JinNews-Korrespondentinnen Habibe Eren und Öznur Değer. Die im selben Verfahren festgenommene MA-Reporterin Zemo Ağgöz befindet sich im Mutterschutz und wurde freigelassen. Gegen den ehemaligen MA-Praktikanten Mehmet Günhan wurden Meldeauflagen verhängt, er wurde ebenfalls freigelassen.
Gegen diese elf Betroffenen ist jetzt Anklage wegen „Mitgliedschaft in der PKK/KCK“ erhoben worden. Die Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Ankara besteht aus 210 Seiten, die hauptsächlich von MA veröffentlichte Meldungen enthalten, insgesamt 149 Artikel. Zwölf Seiten sind Ausführungen zur Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) gewidmet. Als Beweismittel werden beschlagnahmte Speichermedien und Abhörprotokolle vorgelegt. Demnach wurde die Kommunikation der Angeklagten im Zeitraum zwischen Februar und September 2021 überwacht. Zudem wird die Aussage eines geheim gehaltenen Zeugen mit der Codierung „k8ç4b3l1t5” aufgeführt. Die Aussage besagt jedoch lediglich, dass die Beschuldigten für MA und JinNews gearbeitet haben.
Die Generalstaatsanwaltschaft fordert für alle Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen siebeneinhalb und fünfzehn Jahren.