Die kurdische Autorin und Journalistin Dilşah Kocakaya ist in Edirne verhaftet worden. Grund ist ein rechtskräftiges Urteil über fünfzehn Monate Haft wegen angeblicher Propaganda für eine „Terrororganisation“. Zu der Freiheitsstrafe war die 33-Jährige von einem Istanbuler Strafgericht im April 2019 verurteilt worden – wegen ihrer Teilnahme an der Solidaritätskampagne „Bereitschaftsjournalismus“ für Özgür Gündem. Im Juli wurde dieses Urteil vom Kassationshof, dem obersten Berufungsgericht der Türkei, bestätigt.
In ihrem Einsatz für die Pressefreiheit in der Türkei übernahmen Handelnde aus Politik, Zivilgesellschaft und Medien 2016 für jeweils einen Tag symbolisch den Posten der Chefredakteurin bzw. des Chefredakteurs der pro-kurdischen Zeitung Özgür Gündem, die noch im selben Jahr per staatlichem Notstandsdekret verboten wurde. Das Blatt war eines der wenigen in der Türkei, die ausführlich über die Folgen des Krieges der AKP-geführten Regierung in den kurdischen Siedlungsgebieten berichtete.
Dilşah Kocakaya hatte damals ebenfalls für 24 Stunden die Redaktion von Özgür Gündem leiten sollen. Da sie sich damals in ihrer Geburtsstadt Amed (tr. Diyarbakır) aufhielt, hatte sie einen Kommentar für das „Özgür Gündem“-Forum verfasst und diesen der in Istanbul angesiedelten Redaktion zukommen lassen. Die türkische Justiz befand im späteren Prozess dennoch, dass sie damit zum Ziel gehabt hätte, „Gewalt durch die PKK zu legitimieren und/oder deren gewalttätige Handlungen und Methoden zu fördern“. Im selben Verfahren waren weitere Medienschaffende und Intellektuelle zu Haftstrafen verurteilt worden, darunter der Sprecher der 78er-Initiative, Celalettin Can. Er trat bereits Ende August seine Freiheitsstrafe an.
Bereitschaftsjournalismus bei Özgür Gündem
Die Solidaritätskampagne „Bereitschaftsjournalismus“ war am 3. Mai 2016 ins Leben gerufen worden und dauerte bis zum 7. August desselben Jahres an. Insgesamt 56 Journalistinnen und Journalisten, Intellektuelle und Kunstschaffende beteiligten sich daran. Gegen 49 von ihnen wurden Ermittlungen eingeleitet, elf Verfahren (gegen İhsan Eliaçık, Melda Onur, Sebahat Tuncel, Ahmet Abakay, Eşber Yağmurdereli, Hasip Kaplan, Işın Eliçin, Kemal Can, Mustafa Sönmez, Uğur Karadaş, Nurcan Baysal) sind eingestellt worden. Gegen 38 Kampagnenteilnehmende wurde auf Grundlage des sogenannten Terrorbekämpfungsgesetzes Nr. 3713 Anklage erhoben. In den meisten Fällen wurden die Strafen von Berufungsgerichten bestätigt, einige der Verurteilten haben ihre Haft bereits abgesessen.
Unklar, in welchem Gefängnis
Festgenommen wurde Dilşah Kocakaya am Mittwoch in der westtürkischen Provinz Edirne. Dort eröffnete ein Richter heute den Haftbefehl und setzte ihn antragsgemäß in Vollzug. In welches Gefängnis die Kurdin gebracht wurde, ist bislang noch unklar. Selbst ihre Rechtsvertretung wurde nicht hierüber in Kenntnis gesetzt. Für Kocakaya ist es nicht die erste Verhaftung. Erstmals ins Gefängnis kam sie 2008 im Alter von achtzehn Jahren, ebenfalls wegen vermeintlicher Terrorvorwürfe.