Zentrales Mittelmeer: 600 Tote in drei Monaten

Die IOM verzeichnet die höchsten Zahlen von Toten auf der zentralen Mittelmeerroute seit 2014. Demzufolge hat die UN-Agentur mindestens 600 Tote in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 auf den Mittelmeerrouten registriert.

Das Sterben im Mittelmeer nimmt erneut zu und erreicht einen Höchststand seit 2014. Nach Angaben der UN-Organisation IOM sind in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 mindestens 600 Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute vor der tunesischen bzw. libyschen Küste auf dem Weg in die EU gestorben. Die reale Zahl dürfte weit höher liegen. Die EU hält an ihrer Abschottungspolitik fest und öffnet keine legalen Fluchtwege für Schutzsuchende aus Ländern jenseits der Ukraine. So nimmt das Sterben kein Ende.

Für das Jahr 2021 registrierte die IOM 1.500 Tote auf der zentralen Mittelmeerroute. Tagtäglich werden Leichen in Tunesien und Libyen angespült und die Leichenhallen sind mittlerweile überfordert mit der Einlagerung der Toten, die Friedhöfe sind wegen des von der EU gemachten Sterbens überlastet.

Über 70 Tote am vergangenen Dienstag

Erst letzten Dienstag kenterte ein Holzboot mit über 100 Menschen an Bord in der Nähe der Insel Kerkennah im Südosten Tunesiens. Nach Angaben der IOM konnten zwar 30 Menschen aus dem Boot gerettet werden, doch 75 werden noch vermisst. Mit jedem Tag, der vergeht, schwindet die Hoffnung der tunesischen Marine, Überlebende zu finden. Am folgenden Tag stürzten Dutzende von Migrant:innen ins Wasser, als sie versuchten, sich an einem gekenterten Boot vor der tunesischen Küste festzuhalten. Etwa 110 Menschen wurden von der privaten Rettungsorganisation Open Arms gerettet.

Mehr als 4.000 Menschen in Lagerhorror zurückgebracht

Die Schutzsuchenden sind verzweifelt und gerade aufgrund der Bedingungen in Libyen oft bereit, jedes Risiko für eine Überfahrt auf sich zu nehmen. In Libyen befinden sich mit de facto EU-Billigung Folter- und Internierungslager, in denen Schutzsuchende sexualisierter Gewalt, Sklavenarbeit, extralegalen Hinrichtungen und allen erdenklichen Quälereien ausgesetzt sind. Für viele derjenigen, die aus Libyen aufbrechen, ist das Verlassen dieses Landes und das hinter sich lassen der traumatischen Erfahrungen ein wichtiger Faktor zur Weiterreise um jeden Preis. Werden Schiffbrüchige geborgen, werden sie in den Horror von Libyen zurückgeschleppt. Auch hierbei leistet die EU mit ihrer Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache, die von der alten Bundesregierung massiv unterstützt wurde, Beihilfe. Aus Seenot geborgene und nach Libyen zurückgeschickte Migrant:innen – darunter auch Frauen und Kinder –, werden meist in den genannten Lagern interniert. Nach Angaben der IOM wurden seit Anfang des Jahres mehr als 4 000 Schutzsuchende nach Libyen zurückgebracht.

Titelfoto: @campsoscar