„Volksverhetzung“: HDP-Politiker wegen Mahnplakaten verurteilt

Weil sie nach den rassistischen Morden an sieben Mitgliedern der kurdischen Familie Dedeoğulları Mahnplakate mit den Namen der Getöteten an Parteigebäuden anbrachten, sind vier HDP-Politiker in Wan wegen Volksverhetzung verurteilt worden.

Ein türkisches Gericht in der nordkurdischen Provinz Wan (tr. Van) hat Bewährungsstrafen gegen drei Politiker der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wegen des Vorwurfs der „Volksverhetzung“ verhängt. Ein vierter Politiker erhielt eine Geldstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Grundlage des Urteils gegen Fikret Doğan, Ko-Vorsitzender des HDP-Provinzverbands in Wan, sowie Cengiz Acar, Dilgeş Aslan und Yaver Kumli vom Kreisverband der Partei in Rêya Armûşê (Ipekyolu), sind zwei Transparente mit den Namen der Mitglieder der kurdischen Familie Dedeoğulları, die im Juli 2021 im zentralanatolischen Konya von einem türkischen Nationalisten erschossen worden waren. Der Schütze wurde vergangenen November zu siebenmal lebenslänglich verurteilt, weitere zehn Jahre Haft erhielt er wegen Brandstiftung, Hausfriedensbruch und unerlaubtem Waffenbesitz. Insgesamt zehn angeklagte Komplizen - Familienangehörige und Verwandte des Schützen - wurden freigesprochen.

„Sie wurden mit rassistischen Gefühlen und Motiven in einem geplanten, unterstützten und organisierten Massaker getötet“, war unter den Namen der Ermordeten auf den Mahnplakaten zu lesen, die auf Initiative von Fikret Doğan an den Parteigebäuden in Wan und Rêya Armûşê kurz nach den Morden angebracht worden waren. Nach gerade einmal einer Woche rückte die Polizei an und entfernte die Transparente wieder. Die Anordnung dafür war vom Oberstaatsanwalt persönlich gekommen. Angeblich hätten die beschuldigten HDP-Politiker mit den Mahnplakaten das „Aufstacheln und Aufhetzen der Bevölkerung zu Hass und Feindschaft” bezweckt. Dadurch sei eine „eindeutige Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ eingetreten, hieß es.

Das Verfahren wurde im Mai eröffnet, die Anklage forderte Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren. Bei der letzten Verhandlung vor dem Urteil an der 4. Strafkammer des Landgerichts Van wiesen die Angeklagten die Vorwürfe zurück. Das Anbringen von Plakaten mit Namen von Opfern „heimtückischer Morde“, die aus rassistischer Motivation heraus geschahen, sei als Mahnung zu verstehen gewesen. „Kein Platz für Rassismus!“ – dieses Ideal habe man zum Ausdruck bringen wollen.

Eine „Kritik am Staat“

Gleichzeitig sei mit den Plakaten eine „Kritik am Staat“ formuliert worden. „Die Morde von Konya zeigen ein menschenverachtendes Weltbild und in ihrer Brutalität erschreckenden Rassismus, werfen aber auch Fragen zur strukturell verankerten Benachteiligung und Unterdrückung der kurdischen Gesellschaft in diesem Land auf“, sagte Rechtsanwalt Ersin Biricik. Die Verteidigung forderte Freisprüche für alle Angeklagten. Die Vorwürfe gegen die Mandanten entbehrten jeder Grundlage und stellten einen Versuch dar, sie persönlich und politisch zu diskreditieren. Das Gericht verurteilte Fikret Doğan, Cengiz Acar und Dilgeş Aslan zu Bewährungsstrafen in Höhe von jeweils zehn Monaten. Yaver Kumli erhielt eine Geldstrafe von insgesamt 6.000 Türkischen Lira – umgerechnet etwa 300 Euro.