Die Istanbuler Anwaltsvereinigung ÖHD hat im Namen von Angehörigen zahlreicher kurdischer Guerillakämpfer:innen eine Beschwerde beim türkischen Verfassungsgerichtshof in Ankara eingereicht. Hintergrund ist die verweigerte strafrechtliche Ahndung der Verschleppung hunderter Guerillaleichen. Der ÖHD sieht in dem Vorgehen der türkischen Behörden das Andenken von Verstorbenen verunglimpft und den Straftatbestand der Folter erfüllt. Die zuständige Staatsanwaltschaft lehnt es jedoch ab, Ermittlungsverfahren gegen die verantwortlichen Beamt:innen zu eröffnen und die Freigabe der Leichname anzuordnen. „Da uns die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul damit systematisch den Gang vor die Instanzgerichte verweigert, bleibt uns als Verteidiger:innen der Hinterbliebenen kein anderer Weg als den zum Verfassungsgerichtshof, um Gerechtigkeit zu erkämpfen“, so der ÖHD.
Im Dezember 2017 ordnete der türkische Staat die Zerstörung des Gefallenenfriedhofs Garzan in der nordkurdischen Provinz Bedlîs (tr. Bitlis) an. Die Ruhestätte lag in der Nähe des Dorfes Oleka Jor (Yukarı Ölek), begraben waren dort hunderte Mitglieder der kurdischen Guerillaorganisationen HPG und YJA-Star sowie der YPG und YPJ. Ihre Leichname wurden nach der Zerstörung des Friedhofs auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Istanbul exhumiert und in die dortige Gerichtsmedizin verschleppt. Anschließend wurden sie auf dem jüdischen Friedhof Kilyos unweit des gleichnamigen Badeortes am europäischen Eingang des Bosporus begraben. In einem Abschnitt für „Tote ohne Namen“.
Insgesamt waren vom Friedhof in Garzan die sterblichen Überreste von 282 Menschen verschleppt worden. Erst seit Ende 2019 ist bekannt, wohin die Knochen gebracht wurden. Nur 22 Leichname wurden danach wieder den Angehörigen übergeben. Die Leichen von 260 Gefallenen befinden sich nach wie vor in Kilyos unter der Erde. Allerdings nicht in regulären Gräbern, sondern in Plastikboxen verpackt und aufeinandergestapelt unter einem Gehweg.