UNHCR „zutiefst besorgt“ über europäische Gewalt gegen Schutzsuchende

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, zeigt sich „zutiefst besorgt“ aufgrund der zunehmenden Gewalt gegen Migrant:innen an europäischen Grenzen.

Die Gewalt gegen Schutzsuchende an EU-Außengrenzen fordert fast täglich Menschenleben. „Wir sind zutiefst beunruhigt über die wiederkehrenden und übereinstimmenden Berichte von den griechischen Land- und Seegrenzen zur Türkei, wo der UNHCR seit Anfang 2020 fast 540 gemeldete Vorfälle von informellen Rückführungen durch Griechenland registriert hat“, erklärt der UN-Hochkommissar Filippo Grandi. In Griechenland werden systematisch völkerrechtswidrige Pushbacks in die Türkei durchgeführt, die immer wieder auch ein tödliches Ende haben. Zuletzt berichtete der Guardian, dass Schutzsuchende von der Küstenwache ohne Schwimmwesten aufs Meer gefahren und ins Wasser geworfen wurden.

Geschehen an den Grenzen juristisch und moralisch inakzeptabel“

„Was sich an den europäischen Grenzen abspielt, ist juristisch und moralisch inakzeptabel und muss aufhören“, so UN-Kommissar Grandi. „Der Schutz von Menschenleben, Menschenrechten und der Menschenwürde muss unsere gemeinsame Priorität bleiben. Fortschritte bei der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen an den Grenzen sowie die Einrichtung wirklich unabhängiger nationaler Überwachungsmechanismen, die eine Berichterstattung und unabhängige Untersuchung von Vorfällen gewährleisten, sind dringend erforderlich.“

Beunruhigendes Muster von Drohungen, Einschüchterung, Gewalt und Demütigung“

Der UNHCR hatte vorher Tausende Schutzsuchende, die Pushbacks erlebt hatten, in ganz Europa befragt. Dabei wurde „von einem beunruhigenden Muster von Drohungen, Einschüchterung, Gewalt und Demütigung" berichtet. Die Betroffenen berichteten demnach, dass sie auf See auf Rettungsinseln zurückgelassen oder manchmal sogar direkt ins Wasser gedrängt wurden. Das zeuge von „einer gefühllosen Missachtung menschlichen Lebens“. Mindestens drei Menschen sollen seit September 2021 bei solchen Vorfällen in der Ägäis ums Leben gekommen sein, darunter eine Person im Januar. Ebenso grausame Praktiken wurden immer wieder von den EU-Landgrenzen berichtet, insbesondere, dass Menschen bei rauen Wetterbedingungen entkleidet und brutal zurückgewiesen werden.

Europäische Staaten gehen Berichten kaum nach“

Der UNHCR kritisiert die europäischen Staaten: „Mit wenigen Ausnahmen haben es die europäischen Staaten versäumt, solchen Berichten nachzugehen, obwohl sich die Beweise häufen und glaubwürdig sind. Stattdessen werden an verschiedenen Grenzen Mauern und Zäune errichtet. Neben der Verweigerung der Einreise an den Grenzen haben wir auch Berichte erhalten, wonach einige Flüchtlinge trotz der Risiken, denen sie dort ausgesetzt waren, in ihr Herkunftsland zurückgeschickt wurden, was möglicherweise gegen den internationalen Rechtsgrundsatz der Nichtzurückweisung verstößt.“

Recht auf Asyl hängt nicht von Art der Ankunft ab“

Der UNHCR stellt fest: „Das Recht, Asyl zu beantragen und zu genießen, hängt nicht von der Art der Ankunft in einem Land ab. Menschen, die einen Asylantrag stellen möchten, sollten dies tun dürfen, und sie sollten über ihre Rechte aufgeklärt werden und rechtlichen Beistand erhalten. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, haben nur wenige Möglichkeiten. Mauern und Zäune dürften kaum als sinnvolle Abschreckung bieten. Sie werden nur dazu beitragen, dass Menschen, die internationalen Schutzes bedürfen, insbesondere Frauen und Kinder, noch mehr leiden, und sie dazu veranlassen, andere, oft gefährlichere Routen in Betracht zu ziehen, was wahrscheinlich zu weiteren Todesfällen führt.“

Schädliche und unnötiges Narrativ von ‚Festung Europa‘“

Der UNHCR befürchtet, dass die Gefahr der „Normalisierung dieser verabscheuungswürdigen Praktiken“ bestehe und ihnen die Form der Politik zu Grunde liege. „Sie verstärken das schädliche und unnötige Narrativ der ‚Festung Europa‘. Die Realität ist, dass die meisten Flüchtlinge weltweit von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgenommen werden, die über weit weniger Ressourcen verfügen und oft an krisengeschüttelte Herkunftsländer angrenzen.“

EU verstößt gegen Genfer Konvention und eigenes Recht

Der UNHCR ermahnt die EU zur Genfer Flüchtlingskonvention zurückzukehren: „Nach EU-Recht müssen Grenzüberwachungsmaßnahmen unter vollständiger Einhaltung der Grundrechte durchgeführt werden. Es ist möglich, die Grenzen zu verwalten und Sicherheitsbelange zu berücksichtigen und gleichzeitig eine faire, humane und effiziente Politik gegenüber Asylbewerbern zu verfolgen, die mit den Verpflichtungen der Staaten im Rahmen der internationalen Menschenrechte und des Flüchtlingsrechts, einschließlich der Konvention von 1951, sowie des europäischen Rechts in Einklang steht.“