Sea-Eye kritisiert Ungleichbehandlung von Geflüchteten

Die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V. hat 106 Menschen sicher in Sizilien an Land gebracht. Die Geflüchteten an Bord haben viele Tage auf hochseeuntauglichen Booten ausgeharrt. Der Verein kritisiert die Ungleichbehandlung flüchtender Menschen.

Das deutsche Rettungsschiff SEA-EYE 4 legte am Mittwochmittag in Augusta an und alle 106 geretteten Menschen durften an Land gehen. Die SEA-EYE 4 war am Samstag vor Sizilien angekommen, nachdem Malta die Ausschiffung der Geretteten mehrfach abgelehnt hatte, und wartete seitdem auf die Zuweisung eines sicheren Hafens.

Sea-Eye e.V. kritisiert in diesem Zusammenhang die Ungleichbehandlung von flüchtenden Menschen: „Zivile Rettungsschiffe müssen noch immer tagelang auf Ausschiffungshäfen für Schutzsuchende aus Afrika oder Asien warten und müssen sogar wie im Fall der SEA-EYE 4 vor Malta mit Ablehnungen rechnen. Noch immer sind sich die EU-Mitgliedstaaten bei der Verteilung weniger tausender Menschen uneinig. Noch immer verweigern maltesische und italienische Rettungsleitstellen die Koordinierung für Seenotfälle, die sich in der libyschen Such- und Rettungszone ereignet haben und noch immer kooperieren europäische Behörden mit der sogenannten libyschen Küstenwache, um Menschen von der Flucht aus dem Bürgerkrieg in Libyen abzuhalten.“

Die aus Seenot geretteten Menschen auf der SEA-EYE 4 werden von dem Verein German Doctors e.V. medizinisch versorgt. Vorstandsmitglied Dr. Harald Kischlat sagt dazu: „Die Geflüchteten an Bord der SEA-EYE 4 haben viele Tage auf hochseeuntauglichen Booten ausgeharrt. Sie sind unterkühlt, seekrank, traumatisiert. Es ist unverantwortlich und menschenunwürdig, diesen Menschen den Zugang zu einem sicheren Hafen unnötig lang zu verweigern.“

Gorden Isler fordert als Vorsitzender von Sea-Eye e.V. eine schnelle Änderung der Politik gegenüber allen schutzsuchenden Menschen: „Denn sonst kommt die Politik in ernsthafte Erklärungsnot und der seit Jahren geäußerte Vorwurf – systemischer Rassismus verhindere die Rettung Flüchtender aus Afrika und Asien – wäre einmal mehr bewiesen. Alle Menschen haben das Recht, Schutz und Asyl innerhalb der EU zu suchen. Die Hautfarbe, das Geschlecht, die Herkunft, die Religion oder die politische Überzeugung dürfen für europäische Behörden und die Politik kein Grund sein, einen Unterschied zu machen. Die Menschenrechte sind da unmissverständlich.“

467 Tote im Mittelmeer

Nach Angaben von Sea-Eye e.V. sind in 2022 bereits 467 Menschen bei der versuchten Überquerung des Mittelmeers ums Leben gekommen. Der von den EU-Mitgliedsstaaten unterstützte Weg, die Menschen von der sogenannten libyschen Küstenwache abfangen zu lassen und so die Zahl der Ankünfte in Europa zu verringern, gefährdet Menschenleben, statt sie zu retten.

So versagte die sogenannte libysche Küstenwache in der vergangenen Woche erneut und es ertranken bei einem schweren Schiffsunglück vor Libyen 90 Menschen. Nur vier Menschen überlebten und wurden illegal vom Handelsschiff ALEGRIA 1 zurück nach Libyen gebracht, ohne Chance auf ein faires Asylverfahren, stattdessen drohen ihnen Inhaftierung, Folter und der Tod.

Ein ukrainischer Kapitän des Handelsschiffes KARINA entschied sich nur wenige Tage vorher mit Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention und die Situation in Libyen dazu, die SEA-EYE 4 um Unterstützung zu bitten, statt seinen Kurs nach Benghazi fortzusetzen.

Foto: Sea-Eye e.V.