„Sea-Eye 4” sucht mit über 400 Menschen einen sicheren Hafen

Das Rettungsschiff „Sea-Eye 4” hat innerhalb von vier Einsatztagen über 400 Menschen in den internationalen Gewässern der libyschen und der maltesischen Rettungszone retten können und sucht nun nach einem sicheren Hafen.

Die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye berichtet, dass das Rettungsschiff „Sea-Eye 4” innerhalb von vier Einsatztagen mehr als 400 Menschenleben retten konnte. Alle Rettungen haben in den internationalen Gewässern der libyschen und der maltesischen Rettungszone stattgefunden. Die Menschen wurden in sechs Einsätzen aus hochseeuntauglichen Holzbooten geborgen. Der UNHCR berichtete zeitgleich, dass die sogenannte libysche Küstenwache insgesamt 650 Menschen davon abgehalten hat, das Bürgerkriegsland Libyen zu verlassen. Die von Sea-Eye Geretteten kommen aus unterschiedlichen Nationen. Unter ihnen sind sehr viele Minderjährige, die als besonders schutzbedürftig gelten. Bisher reagierte keine einzige europäische Behörde auf die Nachrichten der Sea-Eye 4, so die Rettungsorganisation.

„Wir hoffen sehr, dass uns in den kommenden Stunden ein sicherer Hafen für die Sea-Eye 4 zugewiesen wird. Unsere Besatzung ist seit mehr als 96 Stunden im Einsatz, weil es überhaupt keine staatlichen Anstrengungen gab, diesen schutzsuchenden Menschen zu helfen“, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V.

Die Sea-Eye 4 hält nun einen nördlichen Kurs. Die Einsatzleitung des Schiffes wartet darauf, dass eine europäische Rettungsleitstelle die weitere Koordinierung übernimmt. Für die medizinische Versorgung der Geretteten trägt erstmalig ein Arzt der neuen Partnerorganisation German Doctors die Verantwortung.

„Unter den mehr als 400 geretteten Menschen waren 25 in einem behandlungswürdigen oder sogar kritischen Zustand. Ein achtjähriger Junge zum Beispiel war nicht mehr ansprechbar. Ihn und alle anderen Patientinnen und Patienten konnten wir im Bordhospital inzwischen stabilisieren. Drei Schwangere und ein Baby sind in guter Verfassung. Einen Mann mit Lungenentzündung haben wir negativ auf Covid-19 getestet. Die häufigsten Diagnosen waren Unterkühlung, Austrocknung, Unterernährung, Erschöpfungszustände sowie Seekrankheit und Bewusstlosigkeit. Bedrückend ist, dass die meisten Menschen zudem deutliche Symptome schwerer Traumatisierung zeigen – auch viele der Kinder“, sagt Dr. Stefan Mees, German Doctors-Einsatzarzt und Bordarzt auf der SEA-EYE 4.

„Unser neues Bordhospital ist im Dauereinsatz. Wir sind deshalb dankbar für die Unterstützung und die Expertise von German Doctors. Die Entlastung im medizinischen Bereich ist wirklich spürbar und gibt uns Rückhalt für alle anderen Aufgaben im Schiffsbetrieb“, fügt Isler hinzu.

In Deutschland erklärten im Bündnis Seebrücke insgesamt 247 Kommunen und Städte ihre Aufnahmebereitschaft für aus Seenot gerettete Personen. Und auch im Bündnis für zivile Seenotrettung United4Rescue, Gemeinsam Retten e. V., fordern mehr als 750 Institutionen Solidarität und Humanität an den europäischen Außengrenzen.

„Es kann nicht sein, dass auf europäischer Ebene jetzt wieder eine unwürdige Diskussion über die Verteilung von einzelnen Personen beginnt. Wir müssen solidarisch mit den Mittelmeeranrainern sein. Die Bundesregierung würde ein richtiges und wichtiges Zeichen setzen, wenn man sich zur Aufnahme der geretteten Personen bereit erklärt. Das könnte auch dazu führen, dass man unsere Bündnisschiffe nicht immer wieder festsetzt und von Rettungen abhält. Wie sehr diese Schiffe gebraucht werden, haben wir ja in den letzten Stunden gesehen“, sagt Michael Schwickart, stellvertretender Vorsitzender von United4 Rescue.