Sammelabschiebung nach Bulgarien geplant

Trotz Corona-Pandemie plant die Bundesregierung eine Sammelabschiebung nach Bulgarien. 86 Schutzsuchende, unter ihnen drei Kurd*innen, sollen in das eng mit dem türkischen Regime verbündete Land abgeschoben werden.

Die Bundesregierung bereitet die Abschiebung von 86 Schutzsuchenden nach Bulgarien vor. Unter ihnen befinden sich mehrere Schutzsuchende aus Nordkurdistan, die akut von einer Kettenabschiebung an das Regime in Ankara bedroht sind.

Enge Kollaboration mit AKP/MHP-Regime

Unter Missachtung von Flüchtlingskonventionen hatte Bulgarien erst im September den verfolgten kurdischen Politiker Selahattin Ürün (HDP) an die Türkei ausgeliefert. Der ehemalige Bürgermeisterkandidat von Qilaban (türk. Uludere) war wegen der Verurteilung zu einer Haftstrafe nach Bulgarien geflohen und dort im Januar festgenommen worden. Nach neun Monaten Haft wurde er, ohne auf die Entscheidung des Asylgerichts zu warten, am 29. September in die Türkei abgeschoben und dort sofort inhaftiert.

Die Auslieferung Ürüns lief offenbar allein über die Koordination der Sicherheitsdienste von Bulgarien und der Türkei. Ein solches Vorgehen kommt nicht von ungefähr, der bulgarische Staatschef Bojko Borissow baute enge Beziehungen zum Erdoğan-Regime auf.

Keine Asylanerkennungen bei türkischen Staatsangehörigen

Die Initiative Bordermonitoring stellt in einem im Juni 2020 erschienenen Bericht zur Lage von Schutzsuchenden in Bulgarien fest: „Überdeutlich wird die Dysfunktionalität des bulgarischen Asylsystems in dem Faktum, dass – ganz offensichtlich aus politischen Überlegungen heraus – seit mehreren Jahren kein einziger türkischer Asylsuchender anerkannt worden ist.“

Auch die Linksparteiabgeordnete Helin Evrim Sommer kritisierte die Bundesregierung gegenüber dem ND scharf: Sie sieht die Bundesregierung als verpflichtet, ihre Praxis zu ändern, wenn sie sich nicht „an der türkisch-bulgarischen Komplizenschaft mitschuldig“ machen wolle.

Misshandlungen, Inhaftierungen und Massenunterkünfte

Die Bedingungen für Schutzsuchende sind miserabel. Schutzsuchende berichten in Gesprächen immer wieder Misshandlung von Flüchtlingen durch Sicherheitskräfte. Menschen aus Afghanistan bezeichnen Bulgarien als „die Hölle“. Bordermonitoring warnt vor der langfristigen Inhaftierung der Schutzsuchenden in Bulgarien: „Hinsichtlich der Rückführung von Asylsuchenden im Rahmen der Dublin-Verordnung gilt es überdies zu beachten, dass lange Haft droht, wenn das Asylgesuch vor der Weiterreise in ein anderes Land abgelehnt wurde, wobei der Bescheid auch dann rechtskräftig geworden sein kann, wenn er in Abwesenheit zugestellt wurde.“

371 Abschiebungen nach Bulgarien geplant

Obwohl vor diesem Hintergrund eine Abschiebung nach Bulgarien humanitär ausgeschlossen sein sollte, setzt die Bundesregierung alles an die Überstellung von 371 Schutzsuchenden nach Bulgarien. Auf eine Anfrage von Helin Evrim Sommer heißt es, Bulgarien habe bereits bei 86 Personen die Übernahme bestätigt und die Abschiebungen stünden kurz bevor.