Präsidentenbeleidigung: Bruder von Medeni Yıldırım verurteilt

Mehmet Yıldırım, Bruder des 2013 in Licê bei Protesten gegen den Ausbau eines Militärstützpunkts von einem türkischen Soldaten erschossenen Medeni Yıldırım, ist wegen „Präsidentenbeleidigung“ verurteilt worden.

Der Bruder des Kurden Medeni Yıldırım, der 2013 bei Protesten in Licê gegen den Ausbau eines Militärstützpunkts von einem türkischen Soldaten erschossen wurde, ist wegen angeblicher Präsidentenbeleidigung verurteilt worden. Das Strafmaß gegen Mehmet Yıldırım beträgt ein Jahr, zwei Monate und siebzehn Tage, die Urteilserläuterung ist allerdings aufgeschoben worden. Die „Aufschiebung der Urteilserläuterung“ ist eine Sonderregel im türkischen Recht, die sich ähnlich wie die Bewährung auswirkt.

Yıldırım war angeklagt, weil er Staatschef Recep Tayyip Erdoğan im Kurznachrichtendienst Twitter unter anderem als „Mörder“ und „Dieb“ bezeichnet haben soll. Der Prozess fand an der 4. Strafkammes des Amtsgerichts Diyarbakır statt und zog sich seit 2021 hin. Der Angeklagte wies die Beschuldigungen zurück und erklärte, die inkriminierten Einträge nicht abgesetzt zu haben. Die vermeintlichen Beleidigungen stammen aus den Jahren 2014 und 2015 und wurden nach Darstellung von Yıldırım von einem Account verfasst, der nach dem Tod seines Bruders von Unbekannten eröffnet wurde. Er selbst habe weder Zugriff auf das Konto, noch wisse er, von wem es betrieben wird.

Yıldırıms Verteidiger Serdar Çelebi und Mehmet Raci Bilici verwiesen bei dem Prozess auf ein privates Sachverständigengutachten, wonach das Twitter-Konto ihrem Mandanten nicht zugerechnet werden konnte, und forderten Freispruch. Das Gericht ging auf die Einwände der Verteidigung nicht ein, blieb jedoch unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß. Diese hatte eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren verlangt.

Soziale Netzwerke in der Türkei: Ein gefährliches Terrain

Der Vorwurf der Präsidentenbeleidigung war bereits seit Gründung der türkischen Republik ein allseits verbreitetes Mittel der Repression. Unter der Herrschaft von Recep Tayyip Erdoğan erreichte diese Form der politischen Verfolgung jedoch völlig neue Dimensionen. Kein Präsident in der Geschichte der Türkei ist so schnell beleidigt wie der islamofaschistische Diktator. Nach Angaben des türkischen Justizministeriums wurden allein im Jahr 2021 mehr als 48.000 Ermittlungsverfahren wegen Präsidentenbeleidigung (Artikel 299) und Verunglimpfung der Regierung (Artikel 301) eingeleitet. Knapp 13.000 Menschen mussten sich im selben Zeitraum vor Gericht verantworten. Unter ihnen befanden sich 134 Minderjährige zwischen 12 und 15 Jahren sowie 273 Personen zwischen 15 und 18 Jahren. Die Zahl der Verurteilungen lag 2021 bei rund 4.600.