Fall Medeni Yıldırım: Soldat zum zweiten Mal freigesprochen

Im Revisionsprozess um den Tod von Medeni Yıldırım, der 2013 in Licê bei einem Protest gegen den Ausbau eines Militärstützpunkts von der türkischen Armee erschossen wurde, ist der angeklagte Soldat erneut freigesprochen worden.

Im Revisionsprozess um den Tod von Medeni Yıldırım ist der Angeklagte am Donnerstag erneut freigesprochen worden. Nach Überzeugung der 7. Kammer am Schwurgericht Diyarbakir (ku. Amed) sei der Soldat Adem Çiftçi nicht für den Tod des 18-Jährigen verantwortlich. Der Militärangehörige hatte sich seit 2018 erneut wegen einem bedingtem Tötungsvorsatz verantworten müssen. Sein Freispruch im ersten Prozess war 2017 von einem regionalen Berufungsgericht kassiert worden.

Medeni Yıldırım war am 28. Juni 2013 in der Ortschaft Hêzan (tr. Kayacık) im Landkreis Licê bei einem Protest gegen den Ausbau eines Militärstützpunkts von einem türkischen Soldaten erschossen worden. Weitere acht Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Die Aktion hatte die „Volksinitiative Amed” organisiert, die sich damals intensiv in Dörfern und Siedlungsgebieten in der Provinz gegen den Bau von sogenannten Kalekol, zur Festung ausgebaute Gendarmeriewachen, einsetzte.

Laut einem Gutachten, das erst im Jahr 2019 vorgelegt wurde, feuerten insgesamt fünfzig Soldaten aus zwei verschiedenen Richtungen mit Tränengasgranaten und scharfer Munition auf die Menschenmenge. 49 Waffen wurden daraufhin beschlagnahmt, nur 43 davon allerdings für eine ballistische Untersuchung herausgegeben. Die insgesamt 317 Kugeln stammten aus Waffen des deutschen Herstellers Heckler & Koch (HK), darunter HK G3 und HK P30. Allein der Unteroffizier G.T. von den Spezialeinheiten der türkischen Gendarmerie (JÖH) feuerte 82 Kugeln aus seiner Waffe ab. Doch die Hülse der Patrone, die Medeni Yıldırım tödlich traf, konnte angeblich nicht aufgefunden werden.

Medeni Yıldırım | Quelle: Evrensel/MA

Der staatliche Fernsehsender TRT weigerte sich bis zuletzt, entgegen einer richterlichen Anordnung einen Medien-Sachverständigen für die Erstellung eines Gutachtens von Videos zu beauftragen, die damals auch von dem Kanal verbreitet wurden. In diesen Videos, die Soldaten unter anderem während ihres „Einsatzes“ mit Handys aufgezeichnet hatten, ist zu sehen, dass die tödliche Kugel auf Medeni Yıldırım aus dem Wachturm Nr. 6 abgegeben wurde – in dem sich unter anderem auch Adem Çiftçi befand. Parallel zu nahezu pausenlosen Schießgeräuschen ist die Stimme eines Kommandanten zu hören, der den Soldaten die Anweisung gibt, „nicht zu viel Munition” zu verbrauchen. Einer fragt daraufhin, ob sie nicht auch „Granatwerfer“ gegen die Menschenmenge einsetzen dürften. In einem anderen Video wird ein Soldat von einem Militär aufgefordert, „alle Gasgranaten“ abzufeuern. „Schießt sie auf die Straße ab, und zwar alle. Ich übernehme die Verantwortung. Sagt, der Unteroffizier verlangt es. Schießt auf diese Hurensöhne mit den Gasgranaten.“ Die Verteidigung geht davon aus, dass es sich bei dieser Person um G.T. handelt.  

Der gesamte Prozess stand sinnbildlich für den Umgang der türkischen Justiz mit der kurdischen Gesellschaft. Von einem Willen zur Aufklärung der schweren Menschenrechtsverletzungen und Gerechtigkeit für die Opfer ist das Land noch weit entfernt.