Im Prozess um den Mord an Kemal Kurkut ist der wegen vorsätzlicher Tötung angeklagte Polizist aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Der 23-jährige Kurkut war am 21. März 2017 im nordkurdischen Amed (Diyarbakir) am Rande der traditionellen Newroz-Feierlichkeiten von einem Polizisten erschossen worden. Die Behörden hatten daraufhin behauptet, dass es sich bei dem Musik-Studenten um einen „Selbstmordattentäter“ gehandelt habe, der am Eingang des Festgeländes versucht haben soll, in eine Menschenmenge zu laufen. Bevor er diese habe erreichen können, sei er mit Schüssen der Polizei „gestoppt“ worden. Die tödliche Kugel traf den jungen Mann am Rücken in der Nähe des Herzens.
Zwei Tage später veröffentlichte die mittlerweile verbotene Nachrichtenagentur DIHA Bilder des Fotojournalisten Abdurrahman Gök, die einen anderen Hergang der Ereignisse belegten. Gök hatte acht Mal auf den Auslöser gedrückt und dokumentiert, dass es sich bei dem Tod von Kemal Kurkut um vorsätzlichen Mord handelte.
An der heutigen Urteilsverkündung vor der siebten Strafkammer des Schwurgerichts Diyarbakir nahm der Angeklagte gar nicht erst teil. Die Staatsanwaltschaft forderte drei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe wegen vorsätzlichen Totschlags. Das Gericht sah die Anschuldigung als nicht ausreichend bewiesen und sprach den Polizisten frei.
Die HDP-Vizefraktionsvorsitzende Meral Danış Beştaş gab nach der Urteilsverkündung eine Erklärung ab, in der sie die „Politik der Straflosigkeit“ anprangerte: „Leider handelt es sich nicht um den ersten Prozess, in dem diese Politik umgesetzt wird. Morde an Kurdinnen und Kurden werden juristisch nicht geahndet. Das kurdische Volk versucht in diesem Land seit hundert Jahren zu beweisen, dass es ermordet wird. Wegen Präsidentenbeleidigung werden täglich Menschen verhaftet, aber bei Morden und Massakern wird nicht einmal ausreichend ermittelt. Wenn Panzer Häuserwände durchbrechen, wenn Kampfflugzeuge Menschen bombardieren, wenn Menschen bei lebendigem Leib in Häusern verbrannt werden und selbst wenn der Mord vor laufenden Kameras verübt wird, gibt es für Kurdinnen und Kurden keine Gerechtigkeit.“