Als sich im vergangenen Jahr am 21. März über eine Million Menschen in der nordkurdischen Stadt Amed (Diyarbakir) versammelten, um das traditionelle Newroz-Fest zu begehen, war am Rande der Feierlichkeiten der 23-jährige Kunststudent Kemal Kurkut von einem Polizisten erschossen worden. Noch am Abend lancierten türkische Medien eine Erklärung des Gouverneurs von Diyarbakir, dem zu Folge es sich bei Kemal Kurkut „um einen mutmaßlichen Selbstmordattentäter“ gehandelt habe. Der Student soll versucht haben, in die Menschenmenge zu laufen. Bevor er diese habe erreichen können, wäre er mit Schüssen durch die Polizei gestoppt worden. Die Kugel traf Kemal am Rücken in der Nähe des Herzens.
Zwei Tage später tauchten Bilder des Fotojournalisten Abdurrahman Gök auf, die einen ganz anderen Hergang der Ereignisse belegen. Gök hatte acht mal auf den Auslöser gedrückt und so trat zutage, was wirklich geschehen war. Weder am Körper von Kemal Kurkut, noch in seiner später durchsuchten Tasche wurde eine Bombe gefunden.
Auf den Bildern von Gök ist Kemal Kurkut zur Hälfte entkleidet und ohne jegliches Gepäck zu sehen. In der einen Hand trägt er eine kleine Pet-Flasche Wasser, in der anderen hält er zwar ein Messer, allerdings ohne damit irgendeine drohende Handlung zu vollziehen. Als es zur Diskussion kommt und er sich durch Flucht zu entziehen versucht, wird er von einem Polizisten, der etwa drei bis vier Meter von ihm entfernt steht, hinterrücks niedergeschossen. Der junge Mann wird verletzt, hält sich die Verletzung mit der Hand, läuft aber weiter. Nach weiteren 10–15 Metern bricht er zusammen. Im Krankenhaus verstirbt er.
Heute wurde vor der 7. Strafkammer von Diyarbakir die Verhandlung gegen den Polizisten und Mörder von Kemal Kurkut fortgesetzt.
Mutter Kurkut des Saales verwiesen
Trotz dem Hinweis von Reyhan Yalçındağ Baydemir, Anwältin der Familie Kurkut, dass sich die Mutter des Getöteten in schlechter gesundheitlicher Verfassung befinde und im Anschluss an ihre Rede den Gerichtssaal verlassen werde, unterbrach der Richter Secan Kurkut und verwies sie des Saales.
Yalçındağ: Kemal hätte gestoppt werden können
Daraufhin reichte Baydemir Aufnahmen aus einer Überwachungskamera ein, die den Tathergang ebenfalls zeigen. Anhand der Aufnahmen sei ersichtlich, dass Kemal Kurkut hätte gestoppt werden können, die Polizisten es jedoch bevorzugten, den jungen Mann zu töten, sagte Baydemir.
Verhandlung vertagt
Weil die Beweisaufnahme noch nocht vollständig abgeschlossen sei und der Bericht des gerichtsmedizinischen Institutes fehlen würde, hat das Gericht die Verhandlung vertagt. Dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls wurde nicht stattgegeben. Somit befindet sich der Mörder des Studenten Kemal Kurkut weiterhin auf freiem Fuß. Nächster Verhandlungstermin ist der 20. September.