Der politische Gefangene Tahir Temel ist nach dreißig Jahren Haft in der Türkei freigelassen worden. Der Kurde war am 26. Januar 1994 in der westtürkischen Provinz Manisa verhaftet und noch im selben Jahr von einem Staatssicherheitsgericht (DGM) wegen „Zerstörung der staatlichen Einheit der Türkei“ zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Damals war er 25 Jahre alt.
Nach Aufenthalten in verschiedenen Haftanstalten des Landes, unter anderem in Mersin, Adana, Gümüşhane und Wan (tr. Van) – inklusive zwölf Zwangsverlegungen im Rahmen der „Zerstreuungspolitik“, die aus dem Transferieren von Gefangenen in entfernt liegende Gefängnisse besteht, um sie von ihrem sozialen Umfeld zu isolieren und gleichzeitig ihre Angehörigen durch überlange Anreisen zu bestrafen – befand sich Temel zuletzt in einem Hochsicherheitsgefängnis in Dep (Karakoçan) bei Xarpêt (Elazığ). Dort wurde er nun von seinen Angehörigen mit Applaus, Blumen und Trillern empfangen. Sie werden Temel bei der Reise in seine Geburtsstadt Wêranşar (Viranşehir) begleiten.
Hunderte politische Gefangene werden nicht entlassen
Im letzten Jahr sind viele Gefangene freigelassen worden, die in den neunziger Jahren vor den inzwischen abgeschafften Staatssicherheitsgerichten zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurden. Ungefähr 200 politische Gefangene werden jedoch auch nach Absitzen ihrer regulären Strafdauer nicht entlassen. Über die Entlassung entscheidet kein Gericht, sondern ein Ausschuss der Vollzugsanstalt nach eigenem Ermessen. Ohne die Zustimmung dieses Ausschusses kann die Haftentlassung immer wieder um drei oder sechs Monate verschoben werden. Eine der gängigen Fragen, die der Ausschuss für seine Sozialprognose an die Betroffenen richtet, lautet: „Ist die PKK Ihrer Meinung nach eine Terrororganisation?“