Der türkische Kassationshof hat das Urteil gegen den inhaftierten Philanthropen Osman Kavala zu erschwerter lebenslanger Haft bestätigt. Zu der Freiheitsstrafe war der 65-Jährige, der seit 2017 im Gefängnis sitzt, im April vergangenen Jahres verurteilt worden – wegen eines versuchten Umsturzes im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten im Jahr 2013.
Für vier weitere Verdächtige, bei denen es sich um die Filmproduzentin Çiğdem Mater Utku, die Regisseurin Mine Özerden, den Stadtplaner Tayfun Kahraman und den Rechtsanwalt Can Atalay handelt, bestätigte das oberste Berufungsgericht der Türkei gesondert 18 Jahre Haft wegen Beihilfe. Atalay war im Mai in der Provinz Hatay zum Abgeordneten für die Arbeiterpartei der Türkei (TIP) gewählt worden, konnte das Gefängnis aber nicht verlassen, um seinen Eid im Parlament abzulegen.
Zugleich hob das Gericht die Urteile gegen drei weitere Personen auf, von denen zwei bereits in Haft saßen: Mücella Yapıcı aus dem Vorstand der Istanbuler Architektenkammer sowie Ali Hakan Altınay, Direktor der Europäischen Schule für Politik, und Yiğit Ali Ekmekçi, Gründer der Istanbuler Bilgi-Universität. Der Kassationshof befand, dass die ihnen zur Last gelegten Handlungen nicht den Straftatbestand der Beihilfe zum Umsturz erfüllten, sondern als Zuwiderhandlungen gegen das Versammlungsgesetz zu bewerten seien, und verhängte polizeiliche Meldeauflagen.
Das Urteil gegen den 1957 in Paris geborenen Unternehmer Kavala, der mit seiner Stiftung Anadolu Kültür insbesondere Projekte von ethnischen und religiösen Minderheiten förderte und sich für eine Aussöhnung zwischen der türkischen und der armenischen Bevölkerung und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage einsetzte, hatte international scharfe Kritik hervorgerufen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte erklärt, das Urteil stehe „in krassem Widerspruch zu den rechtsstaatlichen Standards und internationalen Verpflichtungen, zu denen sich die Türkei als Mitglied des Europarats und EU-Beitrittskandidatin bekennt“.
Die Entscheidung vom Donnerstag sei „ein ungeheuerlicher Missbrauch des Justizsystems“, schrieb Emma Sinclair-Webb, stellvertretende Direktorin von Human Rights Watch Europa und Zentralasien, auf der Plattform X (ehemals Twitter). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ordnete bereits vor Jahren Kavalas Freilassung an. Die Inhaftierung ziele darauf ab, ihn zum Schweigen zu bringen und andere Menschenrechtler abzuschrecken. Die Türkei ignorierte die Anordnung. Stattdessen wurde Kavala abermals angeklagt.