Rund dreieinhalb Monate sind vergangen, seitdem Varishe Moradi in Ostkurdistan Opfer eines gewaltsamen Verschwindenlassens durch staatliche Kräfte des iranischen Regimes wurde. Trotz ständiger Nachforschungen ist es ihrer Familie bis heute nicht gelungen, ihren Verbleib aufzuklären. Die Behörden liefern keinerlei Informationen über den Aufenthaltsort Moradis oder den Grund ihrer Festnahme. Frauenrechtsaktivistinnen aus Iran und Ostkurdistan haben sich deshalb zur „Kampagne zum Auffinden von Varishe Moradi“ zusammengeschlossen. Sie bemühen sich um die Herstellung von Öffentlichkeit und fordern mit einer Petition internationale Gremien auf, Maßnahmen zur Aufklärung des Schicksals der Kurdin zu ergreifen. Ihr Ziel ist es, durch höchstmögliche Aufmerksamkeit Druck auf das Regime auszuüben. „Wir wollen die Freilassung von Varishe Moradi und allen anderen politischen Gefangenen.“
Mitglied der Frauenbewegung Ostkurdistans
Varishe Moradi (andere Schreibweise Warisheh), die auch als Ciwana Sine bekannt ist, war am 1. August im Zuge einer Polizeikontrolle in der Nähe ihrer Geburtsstadt Sine (Sanandadsch) festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden. Die Aktivistin, die Mitglied der Koordination der Gemeinschaft freier Frauen Ostkurdistans (KJAR) ist, dem Dachverband der kurdischen Frauenbewegung in Iran, engagierte sich für frauenpolitische und feministische Themen wie beispielsweise Gewaltschutz, Gleichstellung oder Selbstbestimmtheit und wirkte mit gezielten Projekten auf positive gesellschaftliche Transformation in vielen Bereichen hin – sehr zum Missfallen des Mullah-Regimes.
Petentinnen: Regime versucht den Willen der Frauen zu brechen
Die kurdische Frauenbewegung gilt als Inspirationsquelle für alle möglichen Freiheitskämpfe und soll nach den Wünschen der Führung in Teheran handlungsunfähig gemacht werden. Darauf weisen auch die Petentinnen der Kampagne für Varishe Moradi hin. „Das frauenfeindliche und theokratische Regime geht systematisch und strukturiert vor, um den Willen der Frauen zu brechen, vor allem durch erzwungenes Verschwindenlassen und die Anwendung von Folter jeglicher Art. Dies zu einer Zeit wie der gegenwärtigen, in der Frauen wie Varishe eine zentrale Rolle in der revolutionären Bewegung Jin, Jiyan, Azadî (Frau, Leben, Freiheit) in Kurdistan und Iran spielen“, heißt es in die Petition.
Vom iranischen Geheimdienstministerium verschleppt
Die Entführung Moradis war mutmaßlich von Agenten des iranischen Geheimdienstministeriums durchgeführt worden. Das hatten Aktivistinnen erklärt, die am 1. August gemeinsam mit der Kurdin von Merîwan nach Sine unterwegs waren. Sie berichteten zudem, dass Moradi bei dem Übergriff brutal geschlagen wurde. In vergleichbaren Fällen von extralegalen Festnahmen wurden die Opfer in einem vom Geheimdienst der iranischen Revolutionsgarde betriebenen Internierungslager in Sine festgehalten. Die Einrichtung ist berüchtigt für besonders brutale Gewalt an Oppositionellen, politischen Gefangenen und allgemein kritischen Stimmen – vornehmlich kurdischer Herkunft. Das Ausbleiben von Informationen über Moradis Verbleib und ihre körperliche Verfassung gibt daher Anlass zu großer Sorge.
„Morgen könnte es zu spät sein“
Die Petition der Kampagne zum Auffinden Moradis richtet sich an alle Menschen, die sich für das Schicksal der Kurdin einsetzen wollen, sowie an das Europäische Parlament, den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, den UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen (CED), den UN-Sonderberichterstatter über Folter, Amnesty International, die Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau, die UN-Ermittlungsgruppe für Iran und das Rote Kreuz. Sie und politische sowie zivilgesellschaftliche Organisationen und Regierungen werden aufgefordert, im Entführungsfall Varishe Moradi Position zu beziehen und ihren Einfluss zu nutzen, um Druck auf Iran auszuüben. „Unsere Erfahrung erinnert uns daran, dass unser Handeln wichtig ist und Auswirkungen hat. Unsere Aktionen und Stimmen zusammen könnten das iranische Regime in Bedrängnis bringen. Die Zeit ist entscheidend. Morgen könnte es zu spät sein.“
Die Petition findet sich auf der Webseite: