Weltjugendkonferenz fordert Aufklärung über Schicksal von Varishe Moradi

Mehr als drei Monate sind vergangen, seitdem die KJAR-Aktivistin Varishe Moradi (Ciwana Sine) in Ostkurdistan vom iranischen Geheimdienst verschleppt wurde. Die in Paris tagende Weltjugendkonferenz fordert ihre Freilassung.

In Paris diskutieren seit Freitag rund 300 Teilnehmende aus 50 Ländern auf der Weltjugendkonferenz „Youth Writing History“ über Herausforderungen und Perspektiven junger Menschen in der Welt. Ein wichtiges Thema bei den bisherigen Gesprächen, Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen ist auch die Situation in Iran und Ostkurdistan und dem dortigen Kampf für einen umfassenden Systemwandel. Als ein Motor für gesellschaftliche Transformation wird die kurdische Frauenbefreiungsbewegung angesehen. Diese ist der Machtelite des Mullah-Regimes ein derartiger Dorn im Auge, dass sie nicht selten Opfer des Verschwindenlassens werden. Der jüngste Fall dieser Praxis ist der von Varishe Moradi.

Die Aktivistin der Gemeinschaft freier Frauen Ostkurdistans (KJAR), die auch unter dem Namen Ciwana Sine bekannt ist, wurde am 1. August 2023 in Sine (Sanandadsch) von iranischen Regime-Kräften verschleppt. Die Entführung soll von Agenten des Geheimdienstministeriums durchgeführt worden sein, erklärten Zeuginnen, die Moradi begleitet haben und berichteten, dass sie bei der Festnahme brutal geschlagen worden sei. Ein Lebenszeichen, bestätigte Informationen über ihren Aufenthaltsort oder ihr Wohlergehen gibt es bislang nicht.

„Wir fordern Aufklärung über das Schicksal von Varishe Moradi, den Grund ihrer Festnahme und darüber, in welchem Gefängnis sie sich befindet und wie ihr Gesundheitszustand ist“, erklärten Teilnehmende der Weltjugendkonferenz am Samstagabend bei einer Aktion für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Iran. „Kein Mensch darf willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden.“ Außerdem hat sie Anspruch auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl und das Recht, regelmäßig ihre Familie zu sprechen und zu sehen, hieß es.

Verschiedene Menschenrechtsgruppen berichteten in den letzten Wochen unter Berufung auf Zeugenpersonen und „informierte Quellen“, dass Varishe Moradi etwa siebzig Tage lang in einem vom iranischen Geheimdienst in Sine betriebenen Internierungslager festgehalten worden sei. Dort sei sie schwer gefoltert worden, um ein Geständnis zu erzwingen. Außerdem habe sie keinen Zugang zu dringend benötigten Medikamenten gehabt. Mittlerweile soll Moradi in ein sogenanntes „Safe House“ des Regimes in der Hauptstadt Teheran verlegt worden sein.

Safe Houses dienen den iranischen Mullahs und ihrem Geheimdienst seit Jahren dazu, Zeug:innen oder Spionen für eine gewisse Zeit Unterschlupf zu gewähren und sie so lange wie möglich aus den Gefahrensituationen herauszuhalten oder sie ungestört verhören zu können. Vor allem politisch als „unzuverlässig“ geltende Personen werden häufig in „sichere Häuser“ gebracht, wo sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten werden. Ob Varishe Moradi tatsächlich in einem dieser Safe Houses festgehalten wird, konnte von ihrer Familie bislang nicht in Erfahrung gebracht werden. Die Sicherheitsbehörden verweigern jegliche Auskunft.

In den zurückliegenden Monaten sind zahlreiche Berichte über die menschenverachtenden Haftbedingungen in Iran, über Willkür, Isolation, Gewalt und Folter von Festgenommenen bekannt geworden. Mit jedem Tag steigt die Besorgnis über die massive Repression der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste, denen Angehörige der kurdischen Gesellschaft in besonderem Maß ausgesetzt sind. „Es ist wichtig, den Verschwundenen eine Stimme zu geben. Wir dürfen nicht wegsehen oder schweigen“, so eine Konferenzteilnehmerin.