Imrali: Nur fünf von 942 Besuchsanträgen bewilligt

Die Rechtsanwältin Mehtap Işık vom Juristenverein ÖHD berichtet, dass in den vergangenen zehn Jahren 942 Besuchsanträge des Verteidigerteams von Abdullah Öcalan gestellt wurden. Davon sind nur fünf positiv beschieden worden.

Im Februar 1999 wurde Abdullah Öcalan in einem internationalen Komplott aus der griechischen Botschaft in Nairobi in die Türkei verschleppt. Seitdem ist Öcalan in nur von wenigen Besuchen durchbrochener Totalisolation. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Situation verschärft. Mehtap Işık vom Anwaltsverein für die Freiheit (ÖHD) in Wan (tr. Van) hat sich im ANF-Gespräch zur Isolation des kurdischen Repräsentanten geäußert. Sie berichtet, dass zwischen dem 27. Juli 2011 und dem 21. Januar 2021 942 Besuchsanträge von seinem Rechtsbeistand gestellt wurden. Nur fünf wurden nach einem Massenhungerstreik im Jahr 2019 bewilligt. Bei den Familienbesuchen sieht die Bilanz nicht besser aus. In den vergangenen zehn Jahren hatten die Angehörigen und der rechtlich Bevollmächtigte Öcalans annähernd 400 Besuchsanträge gestellt. Daraus resultierten 26 Familienbesuche und drei Besuche des Bevollmächtigten. Işık erklärt zum Gesamtzeitraum: „Mindestens 1.355 der etwa 1.800 Anträge des Rechtsbeistands auf ein Mandantengespräch mit Abdullah Öcalan, der seit 22 Jahren auf Imrali festgehalten wird, wurden bisher abgelehnt."

Es handelt sich um eine politische Entscheidung“

Am 27. April 2020 fand zum ersten Mal in der Geschichte von Imrali ein Telefongespräch Öcalans mit seinem Bruder statt. Die Anwältin erklärt zu diesem Thema: „Das Telefongespräch zwischen Öcalan und seinen Angehörigen war auf 20 Minuten begrenzt. Es handelte sich um das Erste in der Geschichte von Imrali. Seitdem fand jedoch keine Kommunikation mehr statt. Bekanntlich hatte Abdullah Öcalan 2019 die Gelegenheit, mit seinem Rechtsbeistand und seiner Familie im Gefängnis Imrali zu zusammenzutreffen, wenn auch für einen begrenzten Zeitraum. So konnte er seine Meinung und Einschätzungen über seine Angehörigen und Anwälte nach außen tragen.

Der gesellschaftliche Druck, der das Niveau eines Massenhungerstreiks erreichte, führte zu einem begrenzten Bruch der Imrali-Isolation. In diesem Prozess wurde der Gerichtsbeschluss, der immer wieder vorgewiesen worden war, um Abdullah Öcalan daran zu hindern, seine Familie und Anwälte zu sehen, im Widerspruchsverfahren aufgehoben. Der Justizminister selbst erklärte, dass es kein Hindernis für Besuche von Anwälten und Angehörigen gebe. Dieser Beschluss wurde jedoch nur für sehr kurze Zeit umgesetzt, und die schweren Isolationsbedingungen setzten sich fort. Die Isolation von Abdullah Öcalan ist rein politischer Natur. Wie jeder Gefangene in der Türkei sollte Abdullah Öcalan sein Recht auf Familienbesuch, Telefonate und Anwaltsgespräche haben. Diese Rechte werden vollkommen widerrechtlich blockiert. Das zeigt uns, dass die Entscheidung politisch ist.“

Ein Sonderrecht gegen die Menschenrechte“

Zum seit dem 27. November 2020 andauernden rotierenden Hungerstreik der Gefangenen aus PKK und PAJK sagt Işık: „Bis heute hat sich die Aktion auf 107 Gefängnisse ausgeweitet. Hungerstreiks wurden bereits zuvor durchgeführt, um das Isolationsregime auf Imrali zu brechen. Und es gelang damit, die Isolation zeitweise aufzuheben. Aber seit dem 7. August 2019 herrscht wieder Totalisolation.

Die Gefangenen betonen, dass sie ihren Hungerstreik nicht beenden werden, ehe die Isolation aufgehoben und die Menschenrechtsverletzungen gestoppt sind. Es herrscht ein Sonderrecht, das massiv den Menschenrechten widerspricht und das trotz anderslautender Gesetze leider praktiziert wird. Es widerspricht den Mandela-Regeln der Vereinten Nationen, den Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter (CPT) und dem Artikel 5275 des türkischen Strafvollzugsgesetzes. Diese illegale Praxis sollte vom Justizministerium so schnell wie möglich gestoppt werden, und es sollten sowohl Anwalts- wie auch Familienbesuche zugelassen werden.“

Obwohl der Hungerstreik seit 155 Tagen andauert, haben die Behörden nichts unternommen, sagt Işık und schließt: „Wir sind besorgt über die Fortsetzung des Hungerstreiks und mögliche Todesfälle. Im Moment haben wir keine konkreten Pläne, aber wir werden durch Berichte über Rechtsverletzungen und Presseerklärungen Öffentlichkeit schaffen und den weiteren Fortgang genau verfolgen. Wir werden die Gefangenen nicht allein lassen und versuchen, eine Stimme für ihre gerechten Forderungen zu sein."