Hannover: Ausflug zum Knast

Die JVA Hannover unterhält am Flughafen einen Knast mit knapp 50 Plätzen ausschließlich für Menschen, die abgeschoben werden sollen. Für die Betroffenen bedeutet er die Beendigung der selbstbestimmten Existenz und eine ungewisse Zukunft.

An Silvester machten knapp 50 Solidarische einen Ausflug zum Abschiebeknast am Flughafen Hannover-Langenhagen und zur JVA Hannover in der Schulenburger Landstraße. Sie wollten die Gefangenen auch zum Jahreswechsel nicht alleine lassen und ihnen Gesundheit, Freiheit und alles Gute für das kommende Jahr wünschen.

Abschiebung durch Spezialisten: „Rechtssicher und schnell“

Zunächst ging es am frühen Nachmittag per S-Bahn zum Flughafen nach Langenhagen. Dort unterhält die JVA Hannover in unmittelbarer Nähe zum Flughafen einen Knast mit knapp 50 Plätzen ausschließlich für Menschen, die abgeschoben werden sollen. Seit dem Sommer 2019 ist dieser Abschiebeknast bekannter geworden, nachdem die Landesregierung Niedersachsen nach Protesten in Osnabrück und Braunschweig kurzerhand beschlossen hatte, in direkter Nachbarschaft eine Zentrale Abschiebebehörde einzurichten. Das „Bündnis gegen die ZAB“ hatte diesen Plan nicht verhindern können. Die ZAB soll nach den Worten des Innenministers Boris Pistorius bei der Abschiebung „die Kompetenzen besser bündeln“, indem „Spezialisten rechtssicher und schnell“ handeln können.

Gewaltsame Trennung, ungewisse Zukunft

Was das tatsächlich für die Betroffenen bedeutet, konnten einige der Gefangenen in einem „Gespräch“ über den Zaun am Außengelände des Knastes hinweg den Solidarischen erklären: ungewisse Haftdauer, gewaltsame Trennung von Familie und Freund*innen, kein Kontakt zu Rechtsanwält*innen oder dem Flüchtlingsrat, Langeweile und Warten, Beendigung der selbstbestimmten Existenz und eine ungewisse Zukunft.

Nach ein paar offiziellen Grußworten, dem Rufen von Parolen, Schwenken von Fahnen und Halten von Transparenten sowie den Gesprächen über den Zaun hinweg, wurde noch eine Runde um den Knast gedreht – immer schön vor der angerückten Streife weg, bevor noch bei ein paar Liedern getanzt wurde und sich gegenseitig ein guter Rutsch ins neue Jahr gewünscht wurde. Ein Zeichen der Solidarität und ein Funken der Hoffnung wurden an diesem letzten Dezember-Nachmittag ausgetauscht, in den Knast wie aus dem Knast heraus.

Merkwürdiges Geschehen

Ein weit trostloseres Erlebnis war der anschließende Besuch bei der JVA Hannover in der Schulenburger Landstraße in Hainholz. Nicht nur die sechs Meter hohen Zäune mit drei Rollen Stacheldraht wie bereits in Langenhagen waren eine Barriere, die für die Solidarischen unüberwindbar schienen. Auch die gesamte Architektur des in den 1960er Jahren errichteten Gefängniskomplexes mit über 500 Plätzen lässt die oder den Einzelnen sich klein und ohnmächtig fühlen. Die Zellenfenster sind in Richtung des Inneren des Geländes ausgerichtet, sodass die Redebeiträge, Parolen und Lieder nur unwahrscheinlich von den Gefangenen überhaupt gehört werden konnten.

Ein paar Worte aus einem der Redebeiträge lauteten entsprechend: „Hier an diesem Ort ist etwas im Gange, ein merkwürdiges Geschehen. Wie kann so etwas mitten unter uns zu einem alltäglichen Geschehen werden? Hier an diesem Ort wird über Menschsein bestimmt. Du musst hingehen, um einer Gruppe zu beweisen, dass ein menschenwürdiges Leben dein Recht ist. Was ist das für ein Ort? An welchem Ort ist es möglich, dass ein Mensch über das Menschsein eines Anderen urteilt und woher kommt die Notwendigkeit einer solchen Gesetzesapparatur, die darüber bestimmt?“

Mut machte da den Solidarischen das Grußwort des Landzeitgefangenen Thomas Meyer-Falk aus der JVA Freiburg, das er zu Silvester allen Knast-Aktionen schickte: „Umso schöner, umso wichtiger, dass Ihr heute hier vor den Knastmauern steht! Ihr setzt den Knastbediensteten und den kalten Mauern aus Stein und Stahlbeton und dem Stacheldraht ein kämpferisches Zeichen entgegen! Ein lebendiges Zeichen noch dazu! Ein Zeichen der Hoffnung für diejenigen, die hier mal Wochen, Monate oder gar Jahre leben müssen.“

So blieb den Solidarischen an diesem Abend zumindest der Gedanke, „die Gefangenen nicht ganz allein gelassen zu haben und den Wärter*innen durch die Überwachungskameras aufgefallen zu sein bzw. die Streifenpolizist*innen ein wenig genervt zu haben. Es bleibt aber auch die Erfahrung, dass es Stärke gibt, gemeinsam die Trägheit zu überwinden, und eine Silvester-zum-Knast-Aktion auch in Hannover sinnvoll und notwendig ist. Mit einer kollektiveren und längeren Vorbereitung wäre sie in diesem sicher noch kraftvoller.“