Der schwerkranke politische Gefangene Abdullah Turan kommt frei. Die Staatsanwaltschaft Bakırköy hat einen Antrag auf Strafaufschub diesmal bewilligt. Wie Turans Verteidiger Vedat Ece mitteilte, soll sein Mandant noch diesen Samstag das Typ-R-Gefängnis Metris verlassen und in ein Krankenhaus im Istanbuler Stadtteil Başakşehir eingeliefert werden.
Turan leidet seit mehreren Wochen an Blutverlust aus der Blasenwand sowie häufigen Ohnmachtsanfällen und war kürzlich drei Mal infolge eines Schwächeanfalls in eine Klinik eingeliefert worden. In den ersten beiden Fällen wurde ihm die Behandlung verweigert, weil das Krankenhaus wegen der Corona-Pandemie keine Plätze für Intensivpatienten hätte. Am Montag vergangener Woche ordnete die Krankenhausverwaltung trotz gegenteiliger Empfehlung des behandelnden Arztes an, Turan ohne Operation zurück ins Gefängnis zu schicken.
Abdullah Turan ist 33 Jahre alt und leidet an diversen Krankheiten. Neben einer Herzschwäche und der Blutdruckkrankheit kommen etliche Druckgeschwüre (offene Wunden, die durch Unbeweglichkeit entstehen) hinzu, weil er vom Hals abwärts gelähmt ist. Ende 2018 beteiligte er sich im Gefängnis von Trabzon an der von der kurdischen Politikerin Leyla Güven initiierten Hungerstreikbewegung gegen die Isolation von Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali. Am 60. Tag seiner Aktion sprang er kopfüber von seinem Hochbett, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Inhaftiert wurde Turan auf Grundlage des türkischen Antiterrorgesetzes: er hatte sich eine Zeitlang in Nordsyrien am Kampf gegen die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat” (IS) beteiligt.
Das rechtsmedizinische Institut von Istanbul hat Abdullah Turan schon öfter bescheinigt, dass er in dem Zustand nicht länger im Gefängnis verbleiben kann. Sein Anwalt startete daraufhin mehrere Versuche, eine Freilassung zu erwirken. Dennoch wurden die Anträge des politischen Gefangenen jedes Mal abgelehnt. Zuletzt weigerte sich die Generalstaatsanwaltschaft Bakirköy Anfang Dezember, eine vorzeitige Haftentlassung abzusegnen. Begründet wurde die Entscheidung mit einer Einschätzung des Polizeipräsidiums Diyarbakir (kurd. Amed), Abdullah Turan stelle eine „Gefahr für die Sicherheit der Gesellschaft“ dar.